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Dem Winde versprochen

Dem Winde versprochen

Titel: Dem Winde versprochen
Autoren: Florencia Bonelli
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er den Mund: Die Mädchen der Familie Valdez e Inclán erwarteten ihn schon sehnsüchtig. Am Morgen hatte er durch einen Sklaven die Nachricht überbringen lassen, dass er am Nachmittag persönlich erscheinen würde. Genau wie im Vorjahr würde er sie in der Empfangshalle antreffen, in einer Reihe aufgestellt, von der Ältesten bis zur Jüngsten, den Blick auf den Boden gerichtet und die Hände über dem Rock gefaltet. Alle vier waren vielversprechend, aber Elisea, die Älteste, war in seinen Augen eine wahre Schönheit.
    Bei den Mädchen würde auch Bernabela stehen, Valdez e Incláns Ehefrau, die Doña Bela genannt wurde. Um Jahre jünger als ihr Mann, hätte sie seine Tochter sein können. Sie waren in vieler Hinsicht völlig gegensätzlich: Sie war aufgeschlossen, er immer mürrisch, sie hatte stets ein Lächeln auf den Lippen, er geizte damit. Im Gegensatz zu ihrer Porzellanhaut hatte das Abenteurerleben tiefe Spuren in Alcides’ Gesicht hinterlassen. Der größte Gegensatz aber war die Leidenschaft, die sich in Belas bernsteinfarbenen Augen widerspiegelte, im Unterschied zu der Gleichgültigkeit in denen von Alcides, die von einer schwer zu definierenden, dunklen Farbe waren und durch kein inneres Strahlen lebendig wurden, sondern bestenfalls durch den Glanz des Geldes.
    Valdez e Incláns Frauen waren zweifellos Prachtexemplare, aber Blackravens freudige Erwartung hatte einen anderen Grund: Er würde seine geliebte Cousine Marie-Thérèse Charlotte Capet treffen. Seit einigen Jahren hatte er sie in Buenos Aires unter dem Namen Béatrice Solange Laurent unter der Vormundschaft von
Alcides Valdez e Inclán versteckt. Er hoffte, dass sie hier – weit weg von den Wirren, die die Revolution in Frankreich hinterlassen hatte – in Sicherheit war. Und er würde Víctor sehen, seinen Schützling, obwohl der Kleine mit den grünen Augen in ihm so widersprüchliche Gefühle weckte, dass er seinen Anblick manchmal nicht ertragen konnte.
    Es öffnete ihm der Hausdiener mit weißer Perücke und strenger Etikette, in Schuhen mit Bronzeschnallen und hohen Absätzen – für diese Breiten eine exzentrische Erscheinung. Blackraven amüsierte das Bild von Efrén in dieser Aufmachung. Die gepuderte Perücke und die schwarze Haut des Sklaven passten so gar nicht zusammen. Der Diener verbeugte sich und bedeutete ihm durch eine Armbewegung einzutreten.
    »Danke, Efrén«, sagte Blackraven.
    Der Sklave machte erst gar keine Anstalten, das Rapier an sich zu nehmen, denn er kannte die Vorliebe von Mister Blackraven, Graf von Stoneville, es bei allen möglichen Gelegenheiten zu ziehen; er nahm ihm lediglich den leichten Umhang ab. Nach ihm betrat Somar, Blackravens ständiger Begleiter, das Haus, gefolgt von zwei Mulatten, die mehrere Kisten trugen. Der Diener warf der seltsamen Erscheinung mit Turban denselben ängstlichen Blick zu wie schon vor Jahren. Die kleinen Tätowierungen auf Somars Wangen und der Säbel, den er an der Taille trug, waren nicht gerade vertrauenerweckend.
    »Stellt die Kisten da hin«, befahl Somar den Mulatten in schlechtem Spanisch.
    »Warte in der Kutsche auf mich«, sagte Blackraven zu seinem Diener.
    »Ja, Mylord«, erwiderte Somar und gab den Mulatten ein Zeichen zu verschwinden.
    Blackraven ging ein paar Schritte Richtung Eingangshalle und fand dort genau das Bild vor, das er schon erwartet hatte: die vier Töchter, die Dame des Hauses und der Hausherr.
    »Exzellenz!«, rief Alcides aus und ging mit ausgestrecktem Arm auf ihn zu. Er kannte die englische Gewohnheit, sich zum Gruß die Hand zu reichen.
    Der Titel »Exzellenz« war in diesem Land und unter diesen Umständen zwar albern, aber Roger Blackraven war tatsächlich als Graf geboren und würde später Herzog von Guermeaux werden, während Valdez e Inclán nicht einmal ein Landedelmann war. Adelstitel beeindruckten die Einwohner am Río de la Plata, und wenn sie einen Aristokraten beherbergten, zählte es nicht mehr, dass sie ansonsten erklärte Anhänger der revolutionären Ideen Frankreichs waren.
    »Don Alcides, es ist eine Freude, Sie wiederzusehen«, sagte Blackraven. »Sie und Ihre ganze Familie«, fügte er mit einer leichten Verbeugung zu den Frauen hinzu.
    Doña Bela und Blackraven wechselten einen Blick, und ebenso wie der ihre Bände sprach, blieb seiner vollkommen ausdruckslos. Dann ließ er die Hand seines Gastgebers los und runzelte die Stirn. Seine Gesichtszüge wurden noch härter, als sie es ohnehin schon waren.
    »Wo ist meine
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