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Freiwild

Freiwild

Titel: Freiwild
Autoren: Anja Belle
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ausströmenden Männern in Uniformen war ich die einzige, die mit ihrer Vagina echte Macht ausüben konnte. Die Soldaten waren, trotz aller Orden und Abzeichen, doch alles nur Befehlsempfänger.
    In der Ankunftshalle stand ein einsamer, gelangweilter MP, erkennbar an seiner weißen Armbinde und dem dazugehörenden weißen Helm auf seinem Kopf. Das Symbol auf seinem Ärmel zeigte die amerikanische Flagge. Es war ein schlanker, hochgewachsener Mann Anfang zwanzig mit blonden, kurz geschorenen Haaren, der eine Maschinenpistole quer vor seiner Brust an einem Gurt trug, einen Arm lässig darauf gelegt. Er sah so gar nicht nach einem typischen amerikanischen Soldaten aus, so lang und dünn, wie er war. Ich hatte mir solche Männer immer groß, breitschultrig und einschüchternd vorgestellt, ähnlich einem Cowboy eben. Aber dieser hier war das alles nicht. Dennoch war es vermutlich gut, ihm mit dem gehörigen Respekt zu begegnen. Schließlich war er bewaffnet. Der MP hatte ein Schild in seiner Hand, dessen Text ich nicht lesen konnte, weil er den Arm an seiner Seite hängen hatte. Mein Flug hätte ja auch schon vor Stunden ankommen sollen. Die ganze Zeit, in der ich in Ramstein darauf wartete endlich abzuheben, stand der arme Kerl hier und lauerte darauf, mich mitzunehmen. Wie er so dastand, weckte er fast Muttergefühle in mir, obwohl er kaum jünger war als ich. Er sah so verloren aus in dieser großen Halle. Alles um ihn herum bewegte sich. Nur er stand da, seit wer weiß wie vielen Stunden und wartete. Ich fragte mich, was er wohl angestellt haben konnte um so einen Job zu verdienen.
    „ Warten Sie auf mich?“, sprach ich ihn mit meinem verrosteten Schulenglisch an. Er grinste schief, sagte: „Sind Sie das?“, und zeigte mir das Schild, auf dem mit krakeligen Buchstaben der Name meiner Agentur stand. „Sieht so aus, als ob Sie endlich gefunden haben wonach Sie suchen. Ich bin Ms. Hofmann, und Sie?“. Er musterte mich von oben bis unten und antwortete mir in reinem texanischen Akzent: „Ich bin Sergeant Jones, ihr Begleiter für die nächste Zeit. Ich habe den Auftrag, Sie zum Camp zu fahren.“
    Oh, ein Bodyguard. Ein texanischer dazu. „Okay, nun bin ich hier. Wie geht es jetzt weiter?“. Nach den ganzen Stunden des Wartens und des Fluges wollte ich nur noch in ein abgeschlossenes Zimmer mit einer Dusche. Danach vielleicht ein Häppchen essen und dann schlafen. Das klang für mein inneres Ich nach einem guten Plan.
    „Mein Jeep steht draußen“, antwortete er mir, „Ich bringe Sie nach Ilidza, dort ist die SFOR stationiert. Da steht ein Zimmer für Sie bereit.“
    Er drehte sich um, schnappte einfach meine Tasche und ging voraus. Mir blieb nicht anderes übrig, als nach meiner Ausrüstung zu greifen und hinter ihm her zu hechten. Mann, der Typ hatte aber auch eine Geschwindigkeit am Leib!
    Am Jeep angekommen, der direkt vor der Ankunftshalle parkte, nahm ich Platz und überließ es Seargeant Jones, mein Gepäck zu verstauen. Wenn ich schon einen Bodyguard hatte, konnte der sich auch um so wesentliche Dinge wie meine Wäsche kümmern.
    Wir fuhren offen, denn es war noch warm um diese Jahreszeit. Natürlich war der Jeep in mattem olivgrün gestrichen. An den vorderen Kotflügeln waren kleine blaue Fähnchen mit dem NATO-Symbol befestigt, die in der lauen Brise fröhlich vor sich hin flatterten. Es gab anstelle einer Tür nur eine Kette, die unnütz herumhing. Ich fühlte mich ein wenig unsicher, so ohne Blech um mich herum durch die Stadt zu fahren, und rutsche Jones etwas näher, der sicher und gelassen durch die geschäftigen Straßen fuhr.
    Obwohl der Krieg offiziell schon seit ein paar Monaten vorbei war, erinnerte vieles an die Schießereien, die hier stattgefunden haben mussten. Die Straße, die am Flughafen vorbeiführte, war eines der stark umkämpften Zentren gewesen. Einige der Häuser an den Seiten waren kaputt, überall fehlten Fenster und es gab eine Menge Einschusslöcher zu sehen. Bei manchen Häusern stand nur noch ein Skelett der Fassade und ich wunderte mich, dass sie nicht umkippten. Jones bemerkte meine Faszination und murmelte: „Sniper Alley“, zu mir herüber. Die berühmte Straße, in der so viele Scharfschützengefechte stattgefunden hatten. Ich war froh, dass wir am Holiday Inn vorbei fuhren, aber nicht anhielten. Ein massiger, quaderförmiger Bau, dessen Fassade einige Löcher aufwies. Viele der aufgesetzten Balkone hatten Risse oder fehlten ganz und hatten klaffende Wunden in der
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