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Freiwild

Freiwild

Titel: Freiwild
Autoren: Anja Belle
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allmählich mit immer mehr Männern. Da es wesentlich mehr Truppe als Sitze in diesem Flugzeugbauch gab, machten es sich einige einfach an der Seite auf dem Boden gemütlich. Irgendjemand hatte ein paar Dosen Bier im Rucksack gehabt, und da man sich kannte, war schnell eine heitere Stimmung an Bord.
    Junge Männer in Uniform hatten eigentlich schon immer meine Aufmerksamkeit gehabt. Ich mochte einfach die Ausstrahlung nach Macht, Befehlston und Männlichkeit, die so eine Uniform hatte. Als Frau konnte man sich von einem Uniformträger beruhigt beschützen lassen. Ein Soldat hatte gelernt, das ganze Land zu verteidigen, da war so eine einzelne Frau wie ich ja ein Klacks dagegen.
    Unsicher hielt ich meine Weste in der Hand. Ein wirres Knäuel aus Bändern und Polstern. Wie sollte so etwas funktionieren? Ich war ratlos und versuchte, bei den anderen Passagieren abzugucken. Aber die hatten alle die Weste problemlos über den Kopf gestülpt. Es sah bei allen anderen total einfach aus. Na, toll. Wir waren noch nicht einmal losgeflogen und schon brauchte ich Hilfe. Ich war wirklich nicht so selbstständig, wie ich das von mir gehofft hatte. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich zu outen und um Hilfe zu bitten. Das war es dann wohl mit der Aura der gleichgültigen, weitgereisten Fotografin, die ich gerne ausgestrahlt hätte. Es blieb dann doch wieder nur die junge Frau übrig, die von nichts eine Ahnung hatte.
    Ratlos blickte ich in die Runde, bis mir ein junger, dunkelhaariger Soldat auffiel, der mir schräg gegenüber saß. Er beteiligte sich nicht am Saufgelage seiner Kumpane, obwohl er offensichtlich zur selben Gruppe gehörte. Das rote Barett auf den schwarzen, kurzen Haaren tief in die Stirn gezogen, lehnte er ähnlich wie ich selbst in einer Ecke und war in ein Buch vor seiner Nase vertieft.
    Zielsicher löste ich meinen Beckengurt und lief zu ihm herüber. Die Augenpaare aller Anwesenden fühlte ich auf mich gerichtet. Als wenn es etwas so besonderes wäre, dass eine Frau ein Flugzeug durchquerte! Als wäre ich Freiwild inmitten von Raubtieren. Hoch erhobenen Kopfes und den Blick stur geradeaus gerichtet stieg ich über die Schienen für die Paletten, die sich am Boden des Flugzeuges befanden und war stolz darauf, nicht gestolpert zu sein. Ich wollte nicht als Zielscheibe für ihre Scherze enden.
    „ Entschuldigung, kann ich Sie mal stören?“. Ich stand etwa einen guten Meter von dem ausgesuchten Helfer entfernt und blickte ihn fragend an. Er ließ sein Buch sinken. Sichtbar fing er an, Haltung einzunehmen und sich aus seiner bequemen Sitzposition aufzurichten. Einen Augenblick lang weiteten sich seine braunen, durch volle dunkle Wimpern geschützten Augen voller Erstaunen, bevor er mir antwortete: „Nanu, haben Sie sich verlaufen? Was macht denn eine so hübsche Frau wie Sie in so einem Loch?“. Ein sanftes Grinsen durchzog sein Gesicht, was ihn mir sofort sympathisch machte. Mein Herz vollführte einen kleinen Purzelbaum, bevor ich ihm hilflos meine Rettungsweste entgegenstreckte und meinte: „Ich kann das nicht. Könnten Sie mir bitte helfen?“.
    Mein auserkorener Soldat schnallte sich ab, sprang auf und schnappte sich die Weste: „Na, da haben Sie aber auch ein verknotetes Teil abgekriegt! Kein Wunder, dass Sie da Hilfe brauchen! Darf ich?“. Er stellte sich hinter mich und stülpte das Kopfende der Weste vorsichtig über mein Gesicht. Die Weste ging mir bis zum Knie und ich musste kichern. Bei einem Absturz über dem offenen Meer würden vermutlich nur meine Füße nass werden. Alles andere war dermaßen gut verpackt und eingeschnürt, dass ich mich kaum noch rühren konnte. Mein Pferdeschwanz verfing sich in dem Loch für den Kopf und der Soldat löste mit erfahrenen Händen meine Haare aus dem Stoff. Er streifte unabsichtlich leicht meinen Hals und ich bekam Gänsehaut. Dann griff er vorsichtig um meine Taille, um die Leinen um meinen Leib irgendwie befestigen zu können. Dabei kam er mit seinem Gesicht meinem Hinterkopf so nahe, dass ich seinen Atem im Nacken spüren konnte. Ich konnte fühlen, wie sich mir die Härchen dort aufstellten, aber ich hoffte doch sehr, dass man es nicht sah. Er murmelte mit dunkler, warmer Stimme, die so gut zu seinem übrigen Aussehen passte: „Na, da ist ja aber auch gar nichts dran an Ihnen“, an den Hals, was mir erneut einen Schauer über den Rücken laufen ließ.
    Betont kühl bedankte ich mich und kehrte auf meinen Sitzplatz zurück. Eben gerade hatte ich mir
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