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Freiwild

Freiwild

Titel: Freiwild
Autoren: Anja Belle
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Irgendwann würde ich schon ankommen.
    Langsam erhob ich mich und streckte meine vom langen Sitzen lahm gewordenen Beine. Dann schlenderte ich zum wiederholten Male zum Abfluggate herüber, das am anderen Ende der großen Halle lag. Ich schaute den Boarding Guide nur an und hob eine Augenbraue. Er hatte mich heute schon öfter vertrösten müssen, aber diesmal grinste er mich an, hob die Hand und hielt den Daumen optimistisch nach oben. Es passierte also doch etwas und ich durfte ins Flugzeug steigen.
    Als ich aus der Tür trat war ich geblendet. Heute früh war es auf dem Weg zum Flughafen noch dunkel gewesen und in der Wartehalle hatte man kaum mehr Beleuchtung angebracht als unbedingt nötig war. Auf dem Vorfeld schien die Sonne und ein kalter Wind blies mir die Haare ins Gesicht. Ich kniff meine Augen zusammen.
    Bisher war ich nur mit normalen Urlaubsfliegern geflogen, aber was da am anderen Ende der Parkbucht stand, sah aus wie ein schlechter Witz. Eine matt grau gestrichene, dickbäuchige Maschine mit Propellern auf beiden Seiten. Die Tragflächen wirkten proportional viel zu klein und sahen nicht so aus, als ob sie das Flugzeug tragen könnten. Aber was wusste ich schon von Aerodynamik. Es war hier gelandet, also würde es auch abheben können.
    Am Heck des Flugzeugs war eine große Laderampe herunter geklappt, auf der einige Soldaten eifrig damit beschäftigt waren, verschiedene große, mit Netzen gesicherte Paletten in den Bauch des Flugzeugs zu hieven. Ich erwartete eigentlich eine Treppe, die mich in den Passagierraum führen würde, aber da war nichts. Ich schulterte meine Sporttasche und sprach einen beschäftigt aussehenden Soldaten an der Rampe an.
    Seine Schulter war gespickt mit unterschiedlichen Streifen und die Brust voller Abzeichen auf seiner Uniform. Er hatte ein Klemmbrett in der Hand und war offensichtlich für die Beladung zuständig. Da ich wohl auch ein Teil der Ladung sein würde, war es vielleicht eine gute Idee, ihn zu fragen.
    Ich hätte mir doch mal die verschiedenen Rangabzeichen ansehen sollen, um den Mann angemessen ansprechen zu können. Jetzt war es zu spät und ich würde das recherchieren müssen. Ich mochte es nicht, so unvorbereitet zu sein, aber die Gepflogenheiten und Bräuche des Heeres zu studieren war mir entfallen. Man konnte ja schließlich nicht alles im Kopf haben.
    „ Wo bitte soll ich denn einsteigen?“, fragte ich zurückhaltend und zeigte dem Mann meinen Passierschein. Erst sah mich der Soldat, der mich um locker zwei Kopfhöhen überragte, fragend an, dann grinste er: „Sie müssen die Reporterin sein! Ich wurde schon gewarnt, dass wir einen weiblichen Passagier an Bord nehmen würden. Kommt ja nicht so oft vor. Nicht, dass Sie denken, wir hätten eine Mädchentoilette an Bord!“. Ich gab ein schiefes Grinsen von mir, was bedeuten sollte, er könne mich mal. Als ob ich eine Sonderbehandlung erwartet hätte. Wenn ich in den Urlaub fliegen wollte, würde ich mir bestimmt nicht Bundeswehr-Airlines aussuchen. Sein Grinsen verschwand als er merkte, dass sein Scherz bei mir fehl am Platz war. Er nickte zum Heck und meinte: „Da geht’s hoch. Suchen Sie sich den schönsten Sitzplatz aus!“
    Ich nahm meine Tasche, stiefelte zum Flugzeug und schlängelte mich zwischen Transportkisten, Soldaten und diversen Seilen die Rampe hoch.
    Im Dunkel des Flugzeugbauches angekommen, sah ich mich um. An den nackten Metallwänden des Flugzeuges waren kleine Klappsitze geschraubt, aber der größte Teil des Flugzeuges war offensichtlich für die Ladung bestimmt. Überall hingen Befestigungsseile und standen Kisten herum. Was für ein Durcheinander! Beinahe vermutete ich irgendwo in einer dunklen Ecke einen Käfig mit lebendigen Hühnern, aber das blieb mir und den Tieren zum Glück erspart.
    Ich ging ungefähr in die Mitte des Flugzeuges, neben eine mit Segeltuch bedeckte und verschnürte Palette und nahm Platz. Eine Querstrebe der Flugzeugverkleidung bohrte sich direkt in meinen Rücken. Das konnte ja heiter werden. Wie lange sollte der Flug dauern? Vier Stunden? Die Bundeswehr hatte scheinbar nicht unbedingt die größte Lust, ihre Truppen angenehm zu transportieren. Aber im Kriegsfall würde niemand nach Lehnen fragen, schätzte ich.
    Kaum saß ich, etwas an die Segeltuchplane gelehnt, kam ein dürrer, hochgewachsener Uniformierter und drückte mir eine Rettungsweste in die Hand: „Da, anziehen!“, und ohne ein weiteres Wort ging er weiter. Die Sitze füllten sich
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