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Freiwild

Freiwild

Titel: Freiwild
Autoren: Anja Belle
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Prolog
    Irgendwie hatte ich im Gefühl, dass nichts mehr war wie sonst, obwohl alles so aussah wie immer. Die Wohnungstür ließ sich mit dem gewohnten Geräusch öffnen und mein rot gestreifter Kater Oskar begrüßte mich, indem er mir um die Beine strich. Ich ließ meinen Schlüssel, der dem eines Hausmeisters ebenbürtig war, auf die schwarze Kommode in dem grau gestrichenen Flur fallen. Dann erblickte ich die gepackten Taschen, die am anderen Ende des Ganges standen. Drei Sporttaschen, daneben lag fein säuberlich gefaltet meine Bettwäsche.
    „ Peter? Was sollen die Taschen hier?“, rief ich in die Wohnung und stellte meine Handtasche auf den Boden. Da ich keine Antwort bekam, ging ich um die Ecke des Flurs, um ins Wohnzimmer schauen zu können. Da stand Peter, nur mit Boxershorts und T-Shirt bekleidet, und in seinem Arm Martina. Martina, die aufgedonnerte, ewig aufgedrehte Freundin, die eigentlich zu Peters bestem Freund gehört hatte. Martina, über die Peter immer gesagt hatte, dass man sie ohne Make up überhaupt nicht erkennen würde. Sie hatte mich immer etwas von oben herab behandelt und machte sich oft über mich lustig, weil ich nicht wie ein Indianer auf Kriegspfad herumlief. Ich fand ihre Maskerade affig und ertrug sie nur, weil unsere Männer beste Freunde waren. Mich irritierte, dass Peter barfuß war. Ohne seine Socken sahen seine Füße seltsam verknotet aus.
    Galant seinen Arm um ihre Taille gelegt, drehten sich Peter und Martina zu mir um, schauten mir direkt in die Augen und grinsten verlegen.
    „Anne, es tut mir leid, aber du musst jetzt ausziehen. Martina wohnt jetzt hier.“ Ich blickte Peter mit aufgerissenen Augen an, unfähig auch nur eine Silbe des eben gesagten verstehen zu können.
    „ Was?“ Mein Gesichtsausdruck entgleiste und ich war unfähig, etwas zu sagen, mich zu bewegen oder auch nur einen Gedanken zu fassen. Mein Körper war komplett erstarrt.
    „ Du weißt doch“, flötete Martina, „dass nur Peter den Mietvertrag unterschrieben hat, nicht wahr, meine Süße?“.
    So einfach ging das also. Heute Morgen war noch alles in Ordnung gewesen, ich hatte mich wie immer mit einem kleinen Schmatzer bei Peter verabschiedet. Nichts hatte darauf hingedeutet, dass er etwas mit einer anderen Frau hätte haben können. War ich etwa so blind gewesen, dass ich nicht bemerkt hatte, was um mich herum geschah?
    Sex hatten wir schon eine ganze Weile nicht mehr gehabt. Ich hatte seit dem Tod meines Vaters die Leitung des Studios übernommen und war nach Vierzehn-Stunden-Arbeitstagen regelmäßig abends so kaputt und müde, dass ich nur noch ins Bett fiel. Schlafen und Arbeiten, das war mein Tag. Da war einfach kein Platz für Erotik. Aber da Peter niemals etwas dazu sagte, sondern brav und lieb Abendessen machte, die Wohnung sauber hielt und sich auch sonst rührend um mich kümmerte, hatte ich mir um sein Liebesleben keine Gedanken gemacht. Hätte ich wohl mal tun sollen. Ich hatte es aus Bequemlichkeit so hingenommen wie es war und hatte auch nicht die Energie gehabt, etwas daran zu ändern.
    Peter bestätigte meine Vermutung. „Du warst ja nie da.“ Er zog die Schultern leicht entschuldigend nach oben und blickte mich schuldbewusst an. Ja, natürlich, das war der einfache Weg. Als ob ich es mir ausgesucht hätte, das Studio zu übernehmen. Jetzt sag noch, mein Vater sei absichtlich gestorben, dann dreh ich dir den Hals rum. Aber er sagte es glücklicherweise nicht. Immer noch Arm in Arm dastehend warteten die beiden darauf, dass ich gehen würde. In meinem ganzen Leben war noch nie eine Situation dermaßen peinlich für mich gewesen. Erwarteten die zwei, dass ich fast zehn Jahre Beziehung einfach so mit einem Schulterzucken beenden würde? Was hatten die zwei gedacht, was aus mir wird? Hatten sie überhaupt an mich dabei gedacht? Wohl kaum. Ich hätte Peter am liebsten den Hals rumgedreht, so wütend war ich. Sie konnten mich doch nicht einfach so vor vollendete Tatsachen stellen! Er hatte mich hintergangen und betrogen. Dabei hatte ich immer gedacht, ich könnte mich auf ihn verlassen. Vor lauter Zorn und Enttäuschung stiegen mir die Tränen in die Augen, aber ich versuchte krampfhaft, sie zu unterdrücken. Ich wollte Peter und vor allem Martina nicht die Genugtuung des Sieges bieten. So einfach wollte ich es ihnen nicht machen. Fünf Minuten Peinlichkeiten und dann sind die zwei glücklich und zufrieden für den Rest ihres Lebens? So einfach stellten sie sich das vor? Ich fragte
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