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Freiwild

Freiwild

Titel: Freiwild
Autoren: Anja Belle
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darauf, mir die Orte des Camps zu zeigen, die ich im Alltag so brauchen würde. Wir gingen an den Stabscontainern vorbei, in dem ich mich ja schon angemeldet hatte und die die Verwaltung beherbergten. Daneben stand die Mannschaftsmesse, die rund um die Uhr etwas Essbares anbot. Weiter, am Ende des großen, runden und betonierten Hofes lagen Waschräume, das Materiallager und die Planungseinheit für die Einsätze. Gegenüber waren die Unterkünfte, die aus mehreren gleichförmigen, grauen Gebäuden bestand. Etwas vom Hof entfernt lagen noch Werkstätten und Garagenhallen, aber das würde ich schon selbst rausfinden. Der Gurt meiner Tasche schnitt in meine Schulter und ich wollte endlich in mein Zimmer. Es war gut zu wissen, wo ich etwas essen konnte, jetzt fehlte mir noch das Duschen und Schlafen. Alles andere würde sich finden.

Kapitel 3
    Mein Zimmer war, wie nicht anders zu erwarten, karg und schlicht eingerichtet und lag in einem der großen Unterkunftsgebäude, die an die Plattenbauten im Osten Deutschlands erinnerten. Ein Bett, Stuhl und Tisch mit einem PC und einem Drucker darauf und zu meiner großen Freude ein kleines Bad mit Dusche und WC. Schwer vorstellbar, dass ich zusammen mit den Soldaten in den Waschräumen würde duschen müssen. Vorhänge, die denen in alten Schulgebäuden ähnelten; schwere, ehemals orangefarbene Stoffbahnen. An der Decke war eine nackte, schief an den Kabeln hängende Glühbirne befestigt. Auf dem Bett lag ein Stapel Wolldecken, allesamt braun, akkurat gefaltet, in einem helleren braun das Wort 'Bund' abgesetzt. Ich dankte Feldwebel Geiß für seine kleine Führung durch das Camp und schloss die Tür hinter mir. Endlich. Ich war froh darum, alleine zu sein und lehnte meinen Rücken und Hinterkopf gegen die Tür, dann seufzte ich auf. Dieser Tag schien kein Ende zu nehmen. Achtlos schmi ss ich meine Tasche auf das Bett, verstaute meine Kameraausrüstung unter dem Tisch und pellte mich aus meinen Klamotten. Dann ging ich in das kleine, grün gekachelte Bad und drehte die Dusche auf. Heißer Dampf quoll in den kleinen Raum und hüllte alles in einen dichten Nebel. Schnell hüpfte ich in die mit einem weißen Duschvorhang abgetrennte Kabine und schnappte mir das bereitstehende Einheitsduschgel. Heißes Wasser lief über meinen Körper und wusch die Anstrengung und den Schweiß des Tages in den Abfluss. Ich schloss meine Augen und ließ mir das Wasser über den Kopf regnen. Am liebsten würde ich hier nie wieder rauskommen, so angenehm war es.
    Ich hatte meinen Auftrag im vollen Bewusstsein darüber angenommen, sehr lange sehr weit weg von der Heimat zu sein. Aber jetzt war alles ein bisschen zu viel. Ich fühlte mich klein, sehr einsam und verletzlich. Was hatte ich mir da nur eingebrockt. Es hätte jede andere Fotografenstelle sein können. Aber nein, ich brauchte das Extrem. Viel näher als hier konnte ich gar nicht am Arsch der Welt sein.
    Mir dämmerte so langsam, auf was ich mich da eigentlich eingelassen hatte. Ich würde mich ständig rechtfertigen und durchsetzen müssen, um in diesem männerdominierten Gelände ernst genommen zu werden. Alleine unter Männern zu sein fühlte sich an wie unter einem Rudel Wölfe, die nur darauf warteten, dass das Reh einen Fehler machte. Der Gedanke machte mich mutlos. Das würde anstrengend werden und glich einer Hetzjagd.
    Andererseits sprach ja nichts dagegen, ein wenig unverfänglichen Spaß zu haben und das Beste daraus zu machen. Die Soldaten waren ja nicht immer im Dienst. Die meisten waren auf Zeit hier und etwa im selben Alter wie ich. Da würde es sicher die eine oder andere Gelegenheit geben, den Wölfen ein bisschen 'Sitz' und 'Platz' beizubringen.
    Mit Peter hatte ich nicht mehr viel Sex gehabt, die ganze Sache mit uns war einfach zu kompliziert geworden. Jeder hatte zwar ein Auge auf die eigenen Wünsche gehabt, aber nicht mehr auf die des anderen. Ich hatte also einiges nachzuholen und beschloss damit anzufangen. Ich hatte genug getrauert und geweint. Es war Zeit dafür, mich um meine Bedürfnisse selbst zu kümmern.
    Schlagartig wurde das Wasser eiskalt und mir entfuhr aus Schreck ein Schrei. Entsetzt und nach Luft schnappend sprang ich aus der Dusche. Aber als ich mich beruhigt hatte, empfand ich diese Abkühlung jedoch gar nicht mehr so schlimm. Ich fühlte mich wieder wesentlich erfrischter und wickelte mich schlotternd in ein bereitliegendes Handtuch, das selbstverständlich genauso den 'Bund' Aufdruck hatte wie die
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