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Freiwild Mann

Freiwild Mann

Titel: Freiwild Mann
Autoren: Edmund Cooper
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betreiben.“
    „Doch, ich habe noch Zeit. Ein bißchen. Du mußt wissen, heute morgen habe ich etwas herausgefunden. Ich habe es herausgefunden, als deine verstorbene tödliche Freundin jene, die ich geliebt habe, zerstört hat. Ich habe keine Angst mehr vor dem Sterben. Es ist ein angenehmes Gefühl … Wenn hier jemand verschwinden muß, dann bist du das. Ich kann es mir leisten hierzubleiben. Bevor du aber gehst, teile etwas mit mir. Schau dir die Gesichter meiner Toten an.“
    Sanft drehte er die Frau um, so daß ihre nichts mehr sehenden Augen zum Himmel gerichtet waren. Sie hatte ein dünnes, faltiges, von der Sonne verbranntes Gesicht. Sie hatte volle Lippen. Ihr Haar war von weißen Strähnen durchsetzt. Sie sah alt aus.
    „Flora MacDiarmid, zweiunddreißig Jahre alt, ein Kind der Heide. Sie hat mir zwei Söhne geschenkt. Einer starb vor Hunger, noch bevor er diese Welt überhaupt kennengelernt hatte. Der andere starb … was meinst du, Rura Alexandra, warum mußte der andere sterben?“
    Er küßte die Lippen der toten Frau und verschloß ihre Augen. Dann wandte er sich dem Kind zu. „Ewan MacDiarmid, zehn Jahre alt, Kind der Heide, Kind des Hungers, Kind der Angst. Er hatte das Pech, als Kind der Liebe geboren zu sein, durch Liebe ernährt zu werden, und das in einer Welt, die durch Haß vergiftet ist. Schau dir das Gesicht an, sehr geehrte Frau Vernichterin. Du kannst stolz auf deine Gefährtin sein, die dich vor Vergewaltigung und Sadismus durch seine Hände bewahrt hat.“
    Rura schaute sich das blasse und friedliche Kind an. Da gab es keine Anzeichen, die auf eine Bestie hindeuteten. Er sah aus, als sei er ein sehr sanftes Kind gewesen.
    In ihren Augen bildeten sich Tränen, rannen an ihrem Gesicht herunter.
    „Ich werde verrückt“, sagte MacDiarmid. „Ich habe jetzt doch noch lange genug gelebt, um ein Wunder zu sehen. Jetzt ist meine Zeit abgelaufen. Ich habe eine Vernichterin um ein männliches Kind weinen sehen.“
    „Halt’s Maul, verdammt noch mal! Ich muß nachdenken. Ich muß nachdenken. Wir haben keine Zeit mehr. Die eine aus meiner Gruppe ist tot, die andere liegt sturzbetrunken im Frauto, zwei tote Regressive liegen im Heidekraut, und du bist noch am Leben.“
    Er wies auf das Gewehr. „Das letzte Problem ist schnell gelöst. Du rufst deine Kommandantin, berichtest ihr von der schrecklichen Schlacht, die hier stattgefunden hat, bespritzt dich mit Blut, läßt die Toten beglaubigen und streichst eine ehrenvolle Erwähnung ein. Du hast eine große Zukunft vor dir, Rura Alexandra.“
    „Willst du wirklich sterben?“
    „Sagen wir besser, daß ich lebensmüde bin. Das Rennen machen nicht die Schnellen, noch gewinnen die Starken die Schlacht.“
    „Was soll das bedeuten?“
    „Das bedeutet nur, daß ich müde bin.“
    „Dann lebe weiter mit deiner Müdigkeit. Bist du jemals mit einem Frauto gefahren?“
    „Nein.“
    „Ich werde dich hier wegbringen, und dann werde ich zurückkommen und die Sache hier deichseln.“
    Er lächelte. „Bist du jemals von einem Mann geküßt worden?“
    „Nein!“ Die Vorstellung war ihr widerlich.
    Er beachtete das Gewehr nicht und nahm sie in die Arme. Sie wand sich, doch mit seinem gesunden Arm hielt er sie fest. Sie ließ das Gewehr fallen. Der Kuß hatte etwas Schreckliches an sich. Er glich keinem Kuß, den sie jemals bekommen hatte. Er war entehrend, er war herabwürdigend, er verstörte sie. Er entkräftete ihre Glieder und füllte das Hirn mit Alpträumen.
    Er ließ sie los.
    „Das war’s, Vernichterin. Das war eine Art Vergewaltigung, oder? Übrigens hast du dein Gewehr fallen lassen.“
    „Ja“, war alles, was sie herausbrachte. „Ja, ich habe mein Gewehr fallen lassen.“
    „Und jetzt fahre ich, wenn du mich nicht tötest, in deinem Frauto mit. Wo fahren wir hin?“
    „Vielleicht nach Castle Douglas?“
    „Seltsamerweise bin ich in Castle Douglas sicher. Dort gibt es viele Ruinen, verstehst du? Die Ruinen geben Deckung. Dich jetzt mal ausgenommen, sind Vernichterinnen nicht sehr auf Einzelkampf aus; und der ist unumgänglich, wenn Deckung vorhanden ist.“
    „Du mußt neben Olane sitzen, die ist betrunken. Rühr sie nicht an. Laß dich nicht von ihr sehen.“
    Er lachte rauh. „Wir sind bereits Verschwörer.“
    Sie brachte ihn nach Castle Douglas. Als das Frauto sich in Bewegung setzte, grummelte Olane schläfrig. Nach einiger Zeit gab sie dann ein seltsames Grunzen von sich, dann war sie still. Sie mußten nur ein paar Minuten
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