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Freiwild Mann

Freiwild Mann

Titel: Freiwild Mann
Autoren: Edmund Cooper
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der Griff eines Dolches. Ihre Lippen bewegten sich. Die Worte waren kaum zu hören.
    „Ein großartiges Blutvergießen“, sagte Moryn. „Kümmere dich um Olane. Ich …“
    Sie sank in die Knie.
    „Das … das ist ein würdiger Abschluß.“ Sie fiel nach vorn und trieb den Dolch durch ihren Körper.
    Rura stand wie versteinert. Dann rannte sie zu Moryn und drehte sie um. Ihre Augen waren offen und tot. Aus ihrem Mund tröpfelte Blut. Rura versuchte, es wegzuwischen. Das Blut war warm, so warm …
    Sie bemerkte eine Bewegung und ergriff das Lasergewehr. Der verwundete Mann versuchte aufzustehen. Mit unsicherer Hand richtete Rura das Gewehr auf ihn.
    „Darf ich zu meinem Sohn gehen? Darf ich ihn zu meiner Frau legen?“
    Bei den Worten ‚meiner Frau’ drückte Rura beinahe ab. Es war das schmutzigste, das obszönste Wort in ihrem Sprachschatz. Es stank nach Inbesitznahme und Sklaverei, nach verschwitzter Unterwürfigkeit und dem abstoßenden Joch der Männer.
    „Was kann es dir schon ausmachen, wo ich sterbe?“ fragte er. Seine Stimme war ruhig, beinahe vernünftig. Es war keine unangenehme Stimme. Sie hatte keinen flehenden Unterton, und auch die Wut war daraus verschwunden.
    Rura konnte noch keinen Ton herausbringen.
    „Verdammt noch mal, ich gehe zu ihm, so oder so. Wenn du schießt, dann ist es auch egal. Jetzt ist alles egal.“
    Unter Schmerzen gelang es ihm, sich aufzurichten. Aus seiner Schulterwunde lief Blut am Arm herab. Zum ersten Mal roch Rura den schrecklichen Geruch von verbrannten Kleidern und verbranntem Fleisch.
    Das Gesicht des Mannes war grau vor Schmerz. Er taumelte zu dem Körper des Jungen und versuchte, ihn mit seinem unverwundeten Arm hochzuheben. Er schaffte es nicht. Ohne zu denken legte Rura das Gewehr weg und ging zu ihm, um ihm zu helfen.
    „Laß mich“, waren die ersten Worte, die sie herausbrachte.
    Er schaute sie verblüfft an. Rura hob das Kind hoch. So dünn und leicht und blaß – und doch mit einem so großen Loch in der Brust. Einem schwarzen, feuchten Loch.
    Sie nahm das Kind und legte es zu der Frau. Die Frau lag mit dem Gesicht nach unten. Rura versuchte, sie herumzudrehen, aber der Körper war beinahe zweigeteilt.
    Der Mann kniete sich nieder, berührte zuerst das Haar des Jungen, dann das der Frau, dann wieder das des Jungen. Er hatte dicke, rauhe Finger, aber in dieser Berührung schienen sie sehr zart.
    Er kniete auf dem Heidekraut, streichelte das Haar des Jungen. Er sah Rura nicht und schien auch sonst nichts zu sehen. „Du kannst mich jetzt töten. Ja, Höllenweib, jetzt kannst du mich töten.“
     
     

3
     
    Im Frauto war eine Medizintasche. Rura holte sie und verarztete die Schulter des Mannes, so gut sie konnte. Die Verbrennungen reichten fast bis auf den Knochen, aber nur am äußersten Ende der Schulter; seine Muskeln würden also vielleicht wieder heilen.
    Nacheinander benutzte Rura die Spraydosen. Zuerst sprühte sie die Wunde mit Schmerztöter ein, dann legte sie eine Schicht Heilungssalbe auf, um schließlich freizügig Kunsthaut aufzusprühen. Warum tat sie das alles für ein Schwein, dessen Sau soeben Moryn umgebracht hatte? Sie wußte es nicht. Vielleicht deshalb, weil Sonnenschein und Tod nicht zueinander paßten. Sie wußte es nicht. Dies war auch nicht die Zeit zum Wissen. Es war die Zeit zum Handeln.
    Moryn hatte die Brandyflasche nicht über Bord geworfen. Es war noch etwas da. Der Mann kam wieder zu Bewußtsein. Sie half ihm, sich aufzurichten, und gab ihm den Brandy. Er trank, hustete ein wenig und trank noch einmal. Dann schleuderte er die leere Flasche ins Heidekraut und schaute Rura an.
    „Man hat dich zum Töten ausgebildet, und du tust es doch nicht. Wie kommt das?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Du hebst mich doch nicht für irgendeine private Vergnügung mit deinen Freundinnen auf?“
    „Nein, das nicht. Und ich muß jetzt weg – und du mußt auch gehen, wenn du kannst. Die Bewerter werden bald kommen, um die Toten zu inspizieren und herauszukriegen, warum meine Gefährtin umgekommen ist.“
    Er lächelte grimmig. „Du bist noch nicht blutbespritzt. Ja doch, ich weiß alles über den Vernichtungstag. Mit welchem Blut bespritzt du dich jetzt, mit dem von meinem Sohn oder mit dem von meiner Frau?“
    „Halt’s Maul, Schwein!“ sagte sie heftig. „Sei froh, daß du noch am Leben bist.“
    Er berührte den Kopf seines Sohnes. „Ja, ja, ich habe viel, wofür ich dankbar sein muß, nicht wahr? Die Toten sind
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