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Freiwild Mann

Freiwild Mann

Titel: Freiwild Mann
Autoren: Edmund Cooper
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den Fluß entlangfahren. Kayt rief zweimal, wurde aber nicht beachtet. Rura übersprang die Brücke mit einem plötzlich aktivierten Auftrieb, schaltete dann auf größtmögliche Höhe und fuhr über Abfall und verfallene Häuser zu dem, was vom Marktplatz übriggeblieben war. Sie schaltete die Motoren ab. Winddurchrauschte Stille umgab sie.
    Sie stieg aus dem Frauto aus. Diarmid MacDiarmid folgte ihr.
    „Halte dich nicht zu lange hier auf,“ warnte er. „Einige meiner Freunde können recht gut mit der Armbrust umgehen.“
    „Woher weißt du, daß sie hier sind?“
    „Ich weiß es nicht. Ich hege nur den Verdacht. Ich hege immer den einen oder anderen Verdacht.“
    Das Sonnenlicht gab der Ruinenstadt eine deprimierende Note. Hier und dort waren Vögel zu hören, die geräuschvoll ins Blaue aufstiegen.
    „In deinem Frauto habe ich dir ein Andenken zurückgelassen“, sagte Diarmid MacDiarmid. „Ich gehe jetzt ganz langsam weg. Dann hast du Zeit zu entscheiden, ob du schießen willst oder nicht. Ich danke dir für das, was du getan hast. Im Namen von Flora und Ewan danke ich dir dafür.“
    „Lebe wohl“, rief Rura ihm nach. Sie wußte nicht, was sie sagte. „Lebe wohl. Bring uns bei, Frauen zu sein.“
    Dann ging sie zurück ins Frauto und fand einen Dolch in der Brust von Olane. Sie setzte das Lasergewehr an und zielte auf das Rückgrat von Diarmid MacDiarmid. Aber sie war nicht dazu in der Lage abzudrücken.
    Über ihr flatterten laut die Vögel. Sie überlegte, was zu tun war.
     

4
     
    Irgend etwas in Ruras Kopf war in Bewegung geraten. Ein dunkler, störender Dämon lief darin Amok. Ihre ganze Ausbildung war nichts mehr wert. Sie war voller Elend und Angst sowie der grausamen Notwendigkeit bewußt, die obszöne Wahrheit zu verbergen.
    Sie dachte jetzt nicht mehr nach – Gedanken taten zu weh. Sie gehorchte einfach dem Dämon, der ihr versprochen hatte, daß die Ereignisse dieses Morgens wegradiert werden könnten, als seien sie nie geschehen.
    Irgendwie brachte sie das Frauto zurück zu diesem schrecklichen Hügel. Irgendwie trug sie die arme, furchtsame Olane – die gestorben war, wie Moryn gestorben war – zu der Frau, von der sie geliebt worden war. Im Tod sahen sie so klein aus, beinahe so klein und so blaß wie Ewan MacDiarmid, das männliche Kind.
    Die Brüste von Olane, blutig und schlaff, waren entblößt. Rura hatte den Dolch nicht herausziehen können, sie hatte sich davor gefürchtet. Er stak fast an demselben Punkt in Olanes Brust, an dem Flora MacDiarmid auch Moryn getroffen hatte. Seltsamerweise sahen Olane und Moryn, wie sie dort so lagen, aus, als seien sie Liebende gewesen, die im gemeinsamen Tod die Erlösung von einer unsäglichen Bedrückung gefunden hatten. Vielleicht war das gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt.
    Rura legte Moryns Arm, der schon ein wenig erstarrt war, schützend um Olanes Schulter. Sie schaute sie zum letzten Mal an.
    Dann sagte ihr der Dämon, was zu tun sei.
    Den Hügel hoch ging stetig ein leichter Wind. Rura ging zu einem Punkt, der etwas unterhalb des abgestellten Frautos lag. Sie stellte das Lasergewehr auf volle Stärke, drückte ab und setzte in einem großen Bogen das Heidekraut in Brand. Es war grün, aber seit Tagen hatte es nicht geregnet, der auffrischende Wind wehte in die richtige Richtung, und es brannte gut. Offensichtlich kannte der Dämon sich in solchen Dingen aus.
    Flammen und Rauch loderten in die Luft. Eine Hubschraubermannschaft, die auf der Hut war, würde den aufsteigenden Rauch noch in vierzig oder fünfzig Kilometer Entfernung sehen können.
    Rura setzte sich im Heidekraut unterhalb des Feuers nieder und stützte das Gesicht auf die Hände, die Ellenbogen auf die Knie gestützt. Sie fragte sich, was mit ihr geschehen war, rätselte über die Identität und das Ziel des Dämons in ihr. Sie bewegte sich noch nicht einmal, als das Frauto mit einem großen Schlag und starker Flammenentwicklung in die Luft flog.
    Sie rührte sich nicht, als der Hubschrauber kam und über ihr kreiste. Sie rührte sich nicht, als er landete und Leutnant Kayt auf sie zukam. Sie hätte eigentlich vor ihr Haltung einnehmen müssen; aber sie blieb still sitzen.
    Kayt sagte etwas. Kayt sagte immer etwas. Sie war eine große Frau, und sie mochte es, mit Neulingen ins Bett zu gehen. Einmal war sie auch mit Rura ins Bett gegangen. Aber das war in einem anderen Land gewesen; und außerdem war die Frau für sie tot.
    Kayt war sanft. Sie redete immer weiter.
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