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Defekt

Defekt

Titel: Defekt
Autoren: Patricia Cornwell
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Patricia Cornwell
     
    DEFEKT
     
    Ein
Kay-Scarpetta-Roman
     
    Aus dem Amerikanischen von
Karin Dufner
     
    Für Staci
     
     
    1
     
    Es ist Sonntagnachmittag. Dr. Kay Scarpetta sitzt in
ihrem Büro in der National Forensic Academy in Hollywood, Florida. Draußen
ziehen Wolken auf, die wieder einmal ein Gewitter verheißen. Eigentlich dürfte
es im Februar nicht so schwül und regnerisch sein.
    Schüsse sind zu hören, und Stimmen rufen Wortfetzen,
die sie nicht verstehen kann. An den Wochenenden sind Kampfübungen ein
beliebter Zeitvertreib. Dann können Special Agents in schwarzen Overalls wild
um sich ballern, ohne dass sie - außer Scarpetta - jemand hört, und auch sie
nimmt es inzwischen kaum noch wahr. Stattdessen beschäftigt sie sich weiter mit
dem vorläufigen Gutachten eines Gerichtsmediziners aus Louisiana. Er hat eine
Patientin untersucht, die später fünf Menschen ermordet hat; angeblich
erinnert sie sich an nichts.
    Vermutlich wäre diese Patientin kaum eine geeignete
Kandidatin für das Forschungsprogramm mit dem Namen Biometrische Evaluation
und Systematisierung von Tötungsverlangen aufgrund Idiopathischer
Enzephalanomalien, kurz BESTIE, denkt Scarpetta, während sie hört, wie ein
Motorrad über das Akademiegelände näher kommt.
    Sie schreibt eine E-Mail an den forensischen
Psychologen Benton Wesley:
     
    Eine
Frau in der Studie könnte zwar interessant sein, aber wären die gewonnenen
Daten nicht irrelevant? Ich dachte, du beschränkst dich bei BESTIE auf Männer.
     
    Das Motorrad donnert mit Vollgas auf das Gebäude zu
und kommt direkt unter Scarpettas Fenster zum Stehen. Pete Marino will sie
wieder ärgern, denkt sie missmutig und liest Bentons Antwort:
     
    Louisiana
würde sie wahrscheinlich sowieso nicht rausrücken. Die sind viel zu scharf auf
Hinrichtungen. Aber das Essen ist dort spitze.
     
    Scarpetta blickt aus dem Fenster, während Marino den
Motor zum Verstummen bringt, absteigt, sich in Machopose wirft und in alle
Richtungen umschaut. Es ist typisch für ihn, dass er sich ständig beobachtet
fühlt. Gerade schließt sie die BESTIE-Unterlagen in der Schreibtischschublade
ein, als er, ohne anzuklopfen, hereinkommt und unaufgefordert Platz nimmt.
    „Was weißt du über den Fall Johnny Swift?“, fragt
er. Gewaltige tätowierte Arme ragen aus der Jeansweste, auf deren Rücken das
Logo von Harley-Davidson prangt.
    Marino ist der Chefermittler der Akademie und geht
außerdem im Auftrag des Gerichtsmedizinischen Instituts von Broward County
verdächtigen Todesfällen nach. Seit einiger Zeit sieht er aus wie die Karikatur
eines Bikers. Er legt seinen Helm auf den Tisch, eine abgestoßene schwarze
Halbschale, übersät mit Aufklebern, die Einschusslöcher darstellen sollen.
    „Hilf meinem Gedächtnis mal auf die Sprünge.
Übrigens ist dieses Ding da nichts weiter als Deko.“ Scarpetta weist auf den
Helm. „Absolut nutzlos, falls du mit deinem Organspender-Motorrad einen Unfall
hast.“
    Marino wirft eine Akte auf ihren Schreibtisch. „Ein
Arzt aus San Francisco mit Praxis in Miami. Besaß zusammen mit seinem Bruder
ein Strandhaus hier in Hollywood, nicht weit weg von den Renaissance-Doppeltürmen
- du kennst doch sicher den Eigentumswohnblock in der Nähe des John Lloyd State
Park. Vor etwa drei Monaten, so um Thanksgiving rum, war Swift hier und wurde
von seinem Bruder auf dem Sofa gefunden. Tot, mit einer Schrotladung in der
Brust. Er hatte gerade eine missglückte Handgelenkoperation hinter sich. Auf
den ersten Blick eindeutig Selbstmord.“
    „Damals war ich noch nicht am Gerichtsmedizinischen
Institut“, entgegnet Scarpetta.
    Sie war zwar bereits als Leiterin für forensische
Wissenschaften und Medizin an der Akademie tätig, doch die Stelle als
beratende forensische Pathologin am Gerichtsmedizinischen Institut von Broward
County hat sie erst im vergangenen Dezember angenommen, als Dr. Bronson, der
Chef, sein Stundendeputat zurückgefahren und immer öfter von der Rente geredet
hat.
    „Aber ich erinnere mich, davon gehört zu haben“,
fährt sie fort. Sie fühlt sich nicht wohl in Marinos Gegenwart und freut sich
in letzter Zeit nur noch selten, ihn zu sehen.
    „Dr. Bronson hat die Autopsie durchgeführt“, sagt
er, betrachtet die Gegenstände auf Scarpettas Schreibtisch und lässt den Blick
in alle Richtungen schweifen, nur Scarpetta schaut er nicht an.
    „Hattest du was damit zu tun?“
    „Nein. Ich war nicht in der Stadt. Der Fall ist noch
nicht abgeschlossen, weil
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