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Flavia de Luce   Halunken  Tod und Teufel

Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel

Titel: Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel
Autoren: Bradley Alan
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sagte ich. »Sieht ganz so aus.«
    Die Alte wurde richtig lebhaft, als hätte der Zusammenstoß mit Mrs Bull sie aufgemuntert. »Ja, du kannst wirklich lügen wie eine aus unserem Volk.«
    »Ist das gut oder schlecht?«
    Die Antwort ließ eine Weile auf sich warten.
    »Es bedeutet, dass du ein langes Leben vor dir hast.«
    Ihr Mundwinkel zuckte, als müsste sie schmunzeln, aber sie wurde gleich wieder ernst.
    »Trotz des unterbrochenen Sterns auf meinem Mondberg?«

    Diese Frage konnte ich mir nicht verkneifen.
    Zu meiner Überraschung lachte sie heiser.
    »Hokuspokus. Wahrsagerquatsch. Du hast das doch nicht geglaubt, oder?«
    Vom Lachen packte sie ein neuerlicher Hustenanfall, und ich musste warten, bis sie wieder Luft bekam.
    »Aber … die Frau auf dem Berg … die Frau, die nachhause will …«
    »Das haben mir deine Schwestern gesteckt«, erwiderte die Alte mit matter Stimme. »Sie haben mir von eurer Mutter erzählt und mir ein paar Kröten zugesteckt, damit ich dir einen gehörigen Schreck einjage. Das ist alles.«
    Mir gefror das Blut in den Adern, als hätte jemand einen Wasserhahn von heiß auf kalt gestellt. Ich starrte die Alte ungläubig an.
    »Es macht dir doch hoffentlich nichts aus, oder?«, fuhr sie fort. »Ich wollte nicht, dass …«
    Ich zuckte die Achseln »Nö.« Aber es machte mir sehr wohl etwas aus. Meine Gedanken überschlugen sich. »Mir fällt bestimmt was ein, wie ich es den beiden heimzahlen kann.«
    »Vielleicht kann ich dir ja helfen. Rache ist meine Spezialität. «
    Wollte mich die Alte auf den Arm nehmen? Sie hatte doch eben zugegeben, dass sie eine Schwindlerin war. Ich blickte ihr forschend in die schwarzen Augen.
    »Sieh mich nicht so an. Da fängt mir ja das Blut an zu jucken. Ich hab doch gesagt, dass es mir leidtut. Das hab ich wirklich ernst gemeint.«
    »Ach ja?«
    »Jetzt schmoll nicht. Es gibt schon genug Überheblichkeit auf der Welt.«
    Auch wieder wahr. Ich musste lachen, und die Alte stimmte ein.
    »Da fällt mir diese Gewitterziege ein, die kurz vor dir in
meinem Zelt war. Ich hab ihr gesagt, dass in ihrer Vergangenheit etwas begraben liegt, das ans Licht will. Als sie rausging, war sie weiß wie ein Laken.«
    »Aber … was haben Sie denn gesehen?«
    Die Alte prustete los. »Geld natürlich! Dasselbe, was ich bei allen sehe. Ein paar Scheinchen, wenn ich es schlau anstelle.«
    »Und? Hat’s geklappt?«
    »Pfff! Einen Shilling hat sie mir gegeben, keinen Penny mehr. Aber sie ist aus meinem Zelt gesaust, als hätte sie auf ’ner Distel gesessen!«
    Wir fuhren schweigend weiter, bis das Gehölz schon fast in Sicht war.
     
    Für mich war das Gehölz ein vergessenes Fleckchen Paradies. In der südöstlichsten Ecke des Buckshaw-Anwesens, unter einem Baldachin dicht belaubter Äste, vollführte der Fluss graziös wie eine Ballerina eine sanfte Schleife nach Westen, sodass eine kleine Lichtung entstand, beinahe schon eine Insel. Das Ostufer lag ein bisschen höher als das Westufer, dafür war das Westufer sumpfiger. Wenn man sich auskannte, entdeckte man noch die Bögen der kleinen Steinbrücke, die aus der Zeit des ursprünglichen Buckshaw stammte, einem Gutshaus aus der Zeit Elisabeths I. Das Gebäude selbst war im 17. Jahrhundert von aufgebrachten Dorfbewohnern niedergebrannt worden, die aus der religiösen Überzeugung unserer Familie falsche Schlüsse gezogen hatten.
    Ich wollte der Alten von meiner Vorliebe für dieses Plätzchen erzählen, aber sie war offenbar eingeschlafen. Misstrauisch beobachtete ich ihre Augenlider. Sie zuckten nicht. Die Alte lehnte am Rahmen des Wagens und gab ab und zu ein leises Pfeifen von sich, woraus ich schloss, dass sie noch atmete.
    Ihr Nickerchen passte mir gar nicht, denn ich hätte mich gern als Fremdenführerin betätigt und ihr einige der spannenderen
Anekdoten aus der Geschichte Buckshaws erzählt. Jetzt musste ich mein kostbares Wissen eben für mich behalten.
    Das sogenannte Gehölz war nämlich einer der Schlupfwinkel des alten Nicodemus Flitch gewesen, eines ehemaligen Schneiders, der im 17. Jahrhundert die religiöse Sekte der Humpler gegründet hatte. Der Name ging auf die hinkende Fortbewegungsart ihrer Mitglieder zurück, wenn sie ihre Gebete sprachen. Die Humpler glaubten, kurz gesagt, in erster Linie daran, dass der Himmel praktischerweise nicht weiter als sechs Meilen über der Erdoberfläche lag, dass Nicodemus Flitch Gottes erwählter Stellvertreter auf Erden und als solcher dazu berechtigt sei, Seelen nach
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