Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flavia de Luce   Halunken  Tod und Teufel

Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel

Titel: Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel
Autoren: Bradley Alan
Vom Netzwerk:
1
    D u machst mir Angst«, murmelte die Wahrsagerin. »Meine Kristallkugel war noch nie so dunkel. «
    Sie umfasste die Kugel mit beiden Händen, als sollte ich nicht sehen, welche schauerlichen Dinge darin herumwaberten. Meine Kehle schnürte sich zu, als hätte mir jemand Eiswasser in den Mund gegossen.
    Am Rand des Tisches mit der schwarzen Samtdecke flackerte eine schlanke Kerze, deren fahles Licht sich in den baumelnden Messingohrringen der Wahrsagerin brach und in den finsteren Winkeln des Zeltes verlor.
    Schwarze Haare, schwarze Augen, schwarzes Kleid, rot geschminkte Wangen, roter Mund und eine Stimme, wie man sie nur bekommt, wenn man eine halbe Million sehr starke Zigaretten geraucht hat.
    Als wollte sie meinen Verdacht bestätigen, wurde die Frau urplötzlich von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt und rang verzweifelt nach Luft. Es hörte sich an, als hätte sich ein großer Vogel in ihren Lungen verfangen, der jetzt wild flatternd zu entkommen versuchte.
    »Soll ich Hilfe holen?«, fragte ich.
    Ich war ziemlich sicher, dass ich noch vor zehn Minuten Dr. Darby auf dem Kirchhof gesehen hatte. Der Doktor war auf der Kirmes umhergeschlendert und hatte an jedem Stand ein Schwätzchen gehalten. Aber ehe ich aufstehen konnte, hatte die Wahrsagerin ihre braune Hand auf meine gelegt.
    »Nein«, sagte sie, »nicht nötig. Das habe ich öfters.«

    Sie hustete wieder.
    Ich wartete geduldig ab, bis sie damit fertig war.
    »Wie alt bist du?«, fragte sie schließlich. »Zehn? Zwölf?«
    »Elf«, erwiderte ich. Sie nickte bedächtig, als hätte sie es ohnehin schon die ganze Zeit gewusst.
    »Ich sehe … einen Berg«, fuhr sie erstickt fort, »… und das Gesicht … der Frau, die du einmal sein wirst.«
    Im Zelt war es warm und stickig, aber mir gefror das Blut in den Adern. Bestimmt hatte die Wahrsagerin in ihrer Kristallkugel Harriet erblickt!
    Harriet ist meine Mutter. Sie kam beim Bergsteigen ums Leben; ein Unfall, als ich noch ganz klein war.
    Die Wahrsagerin drehte meine Hand um und bohrte ihren Daumen in meine Handfläche. Meine Finger spreizten sich unwillkürlich und krümmten sich dann krallenartig.
    Dann ergriff die Frau meine Linke. »Mit dieser Hand bist du auf die Welt gekommen«, verkündete sie, wobei sie nur einen flüchtigen Blick in die Handfläche warf und dann meine Rechte nahm. »Und diese Hand verdankst du dir selbst.«
    Sie betrachtete die Handfläche skeptisch im flackernden Kerzenschein. »Der unterbrochene Stern auf deinem Mondberg verweist auf einen wachen Verstand, der sich gegen sich selbst wendet – einen Verstand, der auf Wegen der Finsternis wandelt.«
    Nicht unbedingt das, was ich hören wollte.
    »Erzählen Sie mir von der Frau, die Sie auf dem Berg gesehen haben. Die Frau, die ich mal sein werde.«
    Hustend zog sich die Wahrsagerin das bunte Tuch um die Schultern, als müsste sie sich vor einem unsichtbaren bitterkalten Wind schützen.
    »Bestreich meine Handfläche mit Silber.« Sie hielt mir die schmuddelige Hand hin.
    »Aber draußen auf dem Schild steht, dass es einen Shilling kostet, und den habe ich schon bezahlt«, wandte ich ein.

    »Botschaften aus dem Jenseits kosten extra, weil sie sehr viel Kraft kosten.«
    Am liebsten hätte ich schallend gelacht. Für wen hielt sich die alte Hexe? Andererseits hatte sie Harriet in ihrer Kugel erblickt, und ich wollte auf keinen Fall die Gelegenheit verschenken, womöglich ein paar Worte mit meiner verstorbenen Mutter wechseln zu können.
    Ich kramte meinen letzten Shilling heraus, und als ich ihr die Münze in die Hand drückte, funkelten ihre Augen so lebhaft wie die Knopfaugen einer Krähe.
    »Sie will nach Hause … die Frau … friert und will nach Hause. Du sollst ihr dabei helfen.«
    Ich sprang auf und knallte dabei mit den nackten Knien gegen die Tischunterseite. Die lose aufliegende Tischplatte schwankte und rutschte weg, die Kerze fiel in die auf dem Boden gestauten staubigen schwarzen Vorhänge.
    Schon stieg ein gekräuselter Rauchfaden auf, die Flamme wurde blau, dann rot und schließlich orange. Entsetzt sah ich zu, wie das Feuer die Stofffalten erfasste.
    Im Nu stand das ganze Zelt in Flammen.
    Ich wünschte, ich hätte die Geistesgegenwart besessen, der Wahrsagerin ein nasses Tuch über das Gesicht zu werfen und sie ins Freie zu zerren; stattdessen sprang ich durch den Zelteingang nach draußen wie eine Raubkatze durch einen brennenden Reifen, rannte los und blieb erst hinter dem Kokosnussstand wieder stehen, wo
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher