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Flavia de Luce   Halunken  Tod und Teufel

Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel

Titel: Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel
Autoren: Bradley Alan
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ich hinter dem Leinwandvorhang keuchend nach Luft schnappte.
    Jemand hatte ein altes Grammophon aufgezogen, aus dem die Stimme von Danny Kaye über den Kirchhof schallte, auch wenn sie durch den engen Schlund des bemalten Trichters jämmerlich näselnd klang:
    » Oh I’ve got a lov-ely bunch of coconuts.
There they are a-standing in a row … «
    Als ich mich nach dem Zelt der Wahrsagerin umdrehte, sah ich, wie Mr Haskins, der Totengräber, und ein anderer Mann, den ich nicht kannte, einen Zuber Wasser mitsamt den Äpfeln zum Apfelschnappen drin in die Flammen kippten.
    Halb Bishop’s Lacey begaffte die schwarze Rauchsäule, riss die Augen weit auf und schlug die Hände vor den Mund, aber fast alle standen untätig da.
    Dr. Darby führte die Wahrsagerin schon zum Erste-Hilfe-Zelt der Johanniter. Die gebeugte Gestalt der Alten wurde unablässig von Hustenanfällen geschüttelt. Wie klein sie bei Tageslicht aussieht, dachte ich, und wie blass.
    »Ach da steckst du, du widerliche kleine Zecke. Wir haben dich schon überall gesucht!«
    Das war Ophelia, die ältere meiner beiden Schwestern. Feely war siebzehn und hielt sich für eine zweite Jungfrau Maria, allerdings wäre ich jede Wette eingegangen, dass Maria nicht dreiundzwanzig Stunden am Tag damit verbracht hatte, sich im Spiegel zu begaffen und mit einer Pinzette an ihren Augenbrauen herumzufuhrwerken.
    Bei Feely ging man am besten sofort zum Gegenangriff über. »Nenn mich gefälligst nicht ›Zecke‹, blöde Kuh! Wie oft muss dir Vater noch sagen, dass sich das nicht gehört?«
    Feely wollte mich am Ohr ziehen, aber ich duckte mich und wich ihr aus. Im Ausweichen war ich richtig gut – eine aus der Not geborene Fähigkeit.
    »Wo ist Daffy?«, fragte ich in der Hoffnung, ihre boshafte Aufmerksamkeit von mir abzulenken.
    Daffy ist meine andere Schwester. Sie ist zwei Jahre älter als ich und mit dreizehn schon eine ausgewachsene Foltergehilfin.
    »Die frisst gerade wieder ein Buch, was sonst?« Feely deutete mit dem Kinn auf ein paar in Hufeisenform aufgestellte Flohmarkttische, auf denen der Frauenverein und der Altardienst von St. Tankred mit vereinten Kräften einen Riesenstapel
aus gebrauchten Büchern und allerlei Haushaltskram aufgetürmt hatten.
    Feely schien die qualmenden Überreste des Wahrsagerinnenzeltes gar nicht wahrgenommen zu haben. Wie üblich hatte sie aus Eitelkeit ihre Brille zu Hause gelassen, aber es war genauso gut möglich, dass sie der Vorfall einfach nicht interessierte, so wie alle anderen praktischen Dinge.
    »Guck mal!« Sie hielt sich zwei schwarze Ringe an die Ohren. Sie musste einfach immer angeben. »Pariser Jett – aus Lady Trotters Nachlass. Glenda hat sich gefreut, dass sie noch einen Sixpence dafür bekommen hat.«
    »Zu recht«, sagte ich. »Pariser Jett ist schließlich nur Glas.«
    Was auch stimmte. Kürzlich hatte ich in meinem Chemielabor eine hässliche viktorianische Brosche eingeschmolzen und festgestellt, dass sie komplett aus Silikaten bestand. Feely würde es wahrscheinlich gar nicht auffallen, dass der Klunker verschwunden war.
    »Englischer Jett ist viel interessanter«, fuhr ich fort. »Der besteht nämlich aus fossilen Überresten von Schuppentannen, und …«
    Doch Feely schlenderte bereits weiter, denn sie hatte Ned Cropper entdeckt, den Rotschopf, der als Schankkellner im Dreizehn Erpel arbeitete und soeben mit einer gewissen muskulösen Anmut Holzstäbe nach einem Ziel warf. Mit dem dritten Stab brach er die Tonpfeife der Tante-Sally-Figur mittendurch, und Feely stand gerade rechtzeitig neben ihm, um den Preis in Empfang zu nehmen, einen Teddybären, den ihr der knallrot anlaufende Ned feierlich überreichte.
    »Hast du was gefunden, das nicht ins Feuer gehört?«, fragte ich Daffy. Meine Schwester hatte die Nase in eine Buchschwarte gesteckt, die nach den Stockflecken zu schließen gut und gern eine Erstausgabe von Stolz und Vorurteil sein konnte.
    Leider war das ziemlich unwahrscheinlich. Im Krieg waren ganze Bibliotheken zur Papierverwertung abgegeben worden,
sodass heutzutage nicht mehr viel für den Flohmarkt übrig war. Alle Bücher, die am Ende der Sommersaison noch nicht verkauft waren, würden in der Guy-Fawkes-Nacht aus dem Keller unter dem Gemeindesaal gekarrt, auf den Dorfanger gekippt und den Flammen übergeben werden.
    Mit schief gelegtem Kopf musterte ich den Stapel, den Daffy schon beiseitegelegt hatte: Reise zu den Aussätzigen in Sibirien, Plinius’ Naturgeschichte, Das Martyrium der
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