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Druidenherz

Druidenherz

Titel: Druidenherz
Autoren: Isabel Ness
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    Nichts deutete darauf hin, dass sie hier richtig war. Imogen holte die Karte hervor, faltete sie auf und verglich sie mit der Umgebung. Ein Hügel sah aus wie der andere. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, auf eigene Faust loszuziehen. Aber was sollte schon passieren? Sie befand sich in Schottland, nicht in einer Wüste, im Dschungel oder einer Eislandschaft. Es waren mindestens zweiundzwanzig Grad, die Sonne schien, und in ihrer Handtasche hatte Imogen eine Flasche Wasser sowie eine Rolle Kekse mit Schokoladenfüllung. Der richtige Proviant für eine längere Wanderung, zumal sie vorhatte, länger unterwegs zu sein. Jedenfalls bis zum Abend. Schon während des gestrigen Flugs in dieses schöne Land hatte sie sich vorgestellt, wie sie über die Hügel wandern, sich alles ansehen und vielleicht so einiges dabei entdecken würde.
    Lediglich ihre neuen Schuhe drückten ein wenig. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, sie anzuziehen – aber sie passten so gut zu den dunkelgrünen Shorts und dem Top. So fühlte sich Imogen noch mehr wie eine Abenteuerin auf der Suche nach ganz besonderen Schätzen.
    Allerdings musste sie diese Schätze erst mal finden. Aber was hatte sie auch erwartet? Kein außergewöhnliches Relikt wartete einfach so offen ausgebreitet auf eine junge Historikerin. Zudem war die Gegend hier schon vor vielen Jahren von ganzen Heerscharen Archäologen und anderen Fachleuten erforscht worden. Was zu finden war, hatten all diese Experten längst gefunden, katalogisiert und genau beschrieben. Imogen besaß etliche Bücher über diese Ausgrabungen.
    Doch auch wenn sie selbst nichts Neues entdecken würde, wäre es herrlich, solche alten Relikte überhaupt einmal aus der Nähe betrachten und anfassen zu können. Und dass es hier welche gab, wusste sie. Vorhin schon war sie an einigen Henges vorbeigekommen. In die Betrachtung der ovalen Steine versunken, hatte sie überlegt, was sich wohl vor einigen Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden mitten zwischen ihnen ereignet hatte. Und allein hier entlangzuspazieren, regte ihre Phantasie an. Heute Abend, wenn sie im Hotelbett lag, würde sie sich immer noch alles Mögliche vorstellen und vielleicht sogar in der Nacht davon träumen. Das war ihr schon öfter passiert, meist, wenn sie vor dem Einschlafen einen entsprechenden Text gelesen hatte oder den Tag an einem geschichtsträchtigen Ort verbracht hatte.
    Manchmal war das ein bisschen unheimlich, denn diese Träume erschienen ihr immer viel lebendiger als andere. Als sie letztes Jahr in Stonehenge gewesen war, hatte ihr Schlaf sie Nacht für Nacht in längst vergangene Zeiten geführt. Anfangs nur als Beobachterin von außen, doch dann hatte sie sich eines Nachts plötzlich inmitten einer Schar Frauen befunden, die mysteriöse Gesänge anstimmten, ihre Gesichter mit bunten Farben bemalt hatten und deren lange Haare im Wind ebenso wehten wie ihre Gewänder.
    Sie hatte alles ganz genau vor sich gesehen. Die Menschen, die Opfergaben, die Steine und das vom Mondlicht und den Feuern beschienene Gras. Selbst ein Teil dieser Gemeinschaft, hatte Imogen im Traum ganz genau gewusst, was ihre Aufgaben waren und diese ohne zu zögern erledigt. Barfuß war sie über das Gras gelaufen, hatte seine Kühle unter ihren Fußsohlen gespürt. Ihre Hände hatten eine steinerne Schale mit Feldfrüchten gehalten, nur eine kleine Gabe an die Götter. Unentwegt hatte sie Anrufungen gemurmelt, im Einklang mit den anderen Frauen. Immer höher loderten die Flammen. Kräuter wurden hineingeworfen und verbreiteten einen süßlichen und zugleich würzigen Duft.
    Imogen hatte gespürt, wie er zu wirken begann, sie einhüllte und entspannte. Tief inhalierte sie den Rauch, fühlte sich den Göttern nun viel näher. Die Gesänge und Gerüche rissen sie mit, versetzten sie in Trance. Sie bewegte sich, ohne darüber nachzudenken.
    Eine Frau berührte sie am Arm und bedeutete ihr, ihr Opfer nun ebenfalls darzubringen.
    Sie lief auf den steinernen Altar zu, leerte ihre Schale darauf aus, kniete nieder und sandte einen Dank und gleichzeitig ein Bittgebet an die Große Mutter, dass sie sie und ihre Schwestern weiterhin beschützen möge, denn das Land befand sich in Aufruhr. Der alte Glaube wurde durch Priester bedroht. Ganz in Schwarz gekleidet liefen diese Männer der christlichen Kirche durch die Gegend, verbreiteten ihre Lehren und versuchten, möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, sich ihnen anzuschließen. Sie
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