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Flavia de Luce   Halunken  Tod und Teufel

Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel

Titel: Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel
Autoren: Bradley Alan
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wirkte als ich.
    Von meinen ersten chemischen Experimenten wusste ich, dass in manchen Fällen, etwa wenn Eisen in einer Atmosphäre reinen Sauerstoffs erhitzt wird, die Oxidation zu einem Wolf wird, der seine Beute gierig zerfetzt – so gierig, dass das Eisen Feuer fängt. »Feuer« wiederum ist in Wirklichkeit auch nichts anderes als unser alter Freund Oxidation, der auf Hochtouren arbeitet.
    Wenn die Oxidation jedoch behutsamer – langsam wie eine Schildkröte – und ohne Flammen an ihrer Umgebung knabbert, dann nennen wir sie »Rost«, und meistens fällt uns gar nicht auf, wie beharrlich sie ihrem Geschäft nachgeht und alles verschlingt, von der Haarnadel bis zur Zivilisation. Ich habe mir schon oft gedacht, wenn wir die Oxidation aufhalten könnten, dann könnten wir auch die Zeit anhalten, und vielleicht würde es uns sogar gelingen …
    Ein gellender Schrei ließ mich zusammenfahren.
    »Zigeuner! Zigeuner!«
    Eine dicke, rothaarige Frau in schweißfleckigem Baumwollkittel kam mit fuchtelnden Armen aus dem Haus gerannt. Die Ärmel ihrer Strickweste waren bis über die Ellenbogen aufgerollt, als zöge sie in die Schlacht.
    »Verschwindet, ihr Zigeuner!«, keifte sie, und ihr Gesicht wurde so rot wie ihre Haare. »Komm raus, Tom! Die Zigeunerin steht vor dem Tor!«
    In Bishop’s Lacey wusste jeder, dass Tom Bull schon vor Ewigkeiten die Fliege gemacht hatte und höchstwahrscheinlich nie wieder auftauchen würde. Die Frau bluffte also nur.
    »Du hast mir mein Baby gestohlen – streit’s ja nich ab! Ich hab genau gesehen, dass du dich an dem Tag hier rumgetrieben
hast, und das kann ich auch gern vor Gericht bezeugen! «
    Als die kleine Tochter der Bulls vor etlichen Jahren verschwand, war es wochenlang das Dorfgespräch gewesen, aber der nie aufgeklärte Fall war bald von den Titelseiten der Zeitungen nach hinten in die Kurzmeldungen gewandert und schließlich in Vergessenheit geraten.
    Ich schielte zu der Alten neben mir hinüber. Sie saß reglos auf dem Kutschbock und schaute stur geradeaus, als ginge die ganze Welt sie nichts an. Das brachte die Rothaarige erst recht zur Weißglut.
    »Wo bleibst du denn, Tom? Bring die Axt mit!«, zeterte sie.
    Bis dahin schien sie mich gar nicht wahrgenommen zu haben, doch jetzt blieb ihr Blick plötzlich an meinem hängen – mit dramatischer Wirkung.
    »Ich kenn dich!«, rief sie. »Du bist eins von den de-Luce-Mädels aus Buckshaw, stimmt’s? Diese kalten blauen Augen erkenn ich überall.«
    Kalte blaue Augen? Hmmm … Zwar war ich schon öfters unter Vaters eisigem Blick erstarrt, doch mir wäre nicht im Traum eingefallen, dass diese tödliche Waffe auch mir selbst zur Verfügung stand.
    Mir war natürlich klar, dass unsere missliche Lage im Handumdrehen ziemlich ungemütlich werden konnte. Auf die Alte konnte ich anscheinend nicht zählen – ich war ganz auf mich gestellt.
    »Da müssen Sie sich irren«, sagte ich, hob das Kinn und kniff die Augen zusammen, um den bestmöglichen Effekt zu erzielen. »Ich heiße Margaret Vole, und das hier ist meine Großtante Gilda Dickinson. Vielleicht haben Sie uns schon mal im Kino gesehen? Das kleine rote Landhaus? Die Mondkönigin? Ach, wie dumm von mir: In diesem Zigeunerkostüm und mit der dicken Schminke können Sie meine Tante ja nicht erkennen! Wie war doch gleich Ihr Name, Miss …«

    »B-Bull«, stammelte die Rothaarige verdattert. »Mrs Bull.«
    Sie sah uns an, als traute sie ihren Augen nicht.
    »Freut mich, Sie kennenzulernen, Mrs Bull. Ob Sie uns wohl behilflich sein könnten? Wir haben uns nämlich fürchterlich verfahren. Wir sollten uns schon vor Stunden mit der Film-Crew in Malden Fenwick treffen, aber wir haben beide einen ziemlich schlechten Orientierungssinn, stimmt’s, Tante Gilda? «
    Die Alte zeigte keine Regung.
    Die Rothaarige strich sich die Frisur glatt.
    »Jedenfalls habt ihr euch blöd angestellt, wer ihr auch seid«, sagte sie. »Hier kann man nirgends wenden, der Weg ist viel zu schmal. Dann müsst ihr halt weiter bis nach Doddingsley und dann über Tench wieder zurück.«
    »Verbindlichsten Dank«, sagte ich in meiner besten Dorfdeppenstimme, entwand der Alten die Zügel und ließ sie schnalzen.
    »Hüaah!«, rief ich, und Gry trabte an.
    Nach einer weiteren Viertelmeile fand die Zigeunerin auf einmal die Sprache wieder.
    »Du lügst wie eine von uns.«
    Ich war baff, und sie sah es mir an.
    »Du lügst wegen einer bloßen Kleinigkeit – weil jemand auf deiner Augenfarbe rumhackt.«
    »Tja«,
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