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Flavia de Luce   Halunken  Tod und Teufel

Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel

Titel: Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel
Autoren: Bradley Alan
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zivilisierte Mensch zum Tee-Aufsetzen einen Bunsenbrenner benutzen – jedenfalls würde ich nicht vor einem Haufen grüner Zweige auf den Knien herumrutschen.
    Es stimmte zwar, dass ich vor meinem ziemlich abrupten Abschied von den Pfadfinderinnen gelernt hatte, wie man Lagerfeuer entfachte, aber ich hatte mir geschworen, dass ich mich auf gar keinen Fall mehr dabei erwischen lassen wollte, wie ich aus einem Holzstöckchen und einem Schnürsenkel einen Feuerbogen bastelte oder wie ein gestörtes Eichhörnchen zwei Stöcke aneinanderrieb.
    Da saß ich nun und hatte alle Zutaten für ein prasselndes Feuer beisammen – alle, bis auf eine.
    Wo es Petroleumlampen gibt, dachte ich, kann Petroleum nicht weit sein. Ich klappte die Seitenverkleidung des Wohnwagens herunter und fand zu meiner großen Freude einen Kanister. Ich schraubte den Deckel auf, kippte einen Schluck auf das Feuerholz, und bevor ich »Baden-Powell« sagen konnte, brodelte das Wasser im Teekessel munter vor sich hin.
    Ich war richtig stolz auf mich.
    Flavia, die Listenreiche , dachte ich. Flavia, das Mädchen, das alles kann.
    Und so weiter und so fort.
    Dann stieg ich mit dem Tee in der Hand die Treppe hoch, wobei ich wie eine Seiltänzerin auf den Zehen balancierte.
    Ich reichte der Alten die dampfende Tasse und sah zu, wie sie mit bedächtigen Schlucken trank.

    »Das ging aber schnell«, sagte sie.
    Ich zuckte bescheiden die Achseln. Das mit dem Petroleum brauchte sie ja nicht zu wissen.
    »Hast du das Anmachholz in der Kiste gefunden?«, fragte sie.
    »Nein«, antwortete ich. »Ich habe …«
    Ihre Augen wurden riesengroß, und sie hielt die Tasse am ausgestreckten Arm von sich weg.
    »Du hast doch nicht etwa Holunderzweige abgeschnitten?«
    »Äh … doch. War gar nicht so schwer. Ich …«
    Die Tasse fiel ihr aus der Hand, und der kochend heiße Tee spritzte in alle Richtungen. Die Alte sprang wieselflink aus dem Bett und drückte sich in eine Ecke.
    »Hilda Muir!«, schrie sie klagend. Ihr schauriges Heulen schwoll wie eine Luftschutzsirene an und wieder ab. »Hilda Muir!« Sie wies auf die Tür. Ich drehte mich um, aber da war niemand.
    »Raus mit dir! Raus!« Ihre Hand zitterte wie Espenlaub.
    Ich begriff gar nichts mehr. Was hatte ich ihr denn getan?
    »Gott im Himmel – Hilda Muir!«, ächzte sie. »Jetzt müssen wir alle sterben!«

3
    B etrachtete man Buckshaw von hinten, also vom Ufer des künstlichen Sees aus, bot das Haus einen Anblick, den kaum jemand außer den Familienmitgliedern kannte. Die hohe Backsteinmauer des Küchengartens verbarg zwar einen Teil des Gebäudes, aber man sah die beiden obersten Räume am Ende jedes Seitenflügels wie Türme eines Märchenschlosses aufragen.
    Im Südwesten befand sich, sozusagen luftdicht versiegelt, Harriets Boudoir. Es wurde sorgfältig in dem Zustand erhalten, in dem es sich an jenem schrecklichen Tag vor zehn Jahren befunden hatte, als auf Buckshaw die Nachricht von ihrem tragischen Tod eintraf. Trotz der italienischen Spitzenvorhänge machte das Zimmer einen seltsam abweisenden, konservierten Eindruck, als käme wie im Britischen Museum des Nachts eine Schar schweigender, graugekleideter Putzkräfte und tilgte alle Spuren der vergehenden Zeit – Spinnweben, Staub und dergleichen.
    Ich hielt es für unwahrscheinlich, aber meine Schwestern waren fest davon überzeugt, dass Vater der Hüter von Harriets Schrein war. Einmal hatte ich mich im Treppenhaus versteckt und gehört, wie Feely zu Daffy sagte: »Er putzt nachts das Zimmer, um für seine Sünden zu büßen. «
    »Er beseitigt die Blutflecken«, hatte Daffy theatralisch geflüstert.
    Danach hatte ich noch stundenlang mit offenen Augen im Bett gelegen und gegrübelt, was sie wohl damit gemeint hatte.
Im Fenster meines Labors im Südostflügel spiegelten sich die träge dahinsegelnden Wolken. Sie zogen über das dunkle Glas wie dicke Schafe auf einer blauen Weide und verrieten der Außenwelt nicht, welcher Tempel der Wissenschaft sich hinter der Scheibe verbarg.
    Ich blickte zu den Fenstern empor, schlang die Arme um mich und vergegenwärtigte mir voller Vorfreude die blinkenden Gerätschaften, die dort meiner harrten. Der gutmütige Vater meines Großonkels Tarquin de Luce hatte das Labor noch unter Queen Victoria für seinen Sohn einrichten lassen. Onkel Tar war aufgrund eines undurchsichtigen Skandals der Universität Oxford verwiesen worden, eine Geschichte, die nie – jedenfalls nicht in meiner Anwesenheit – näher erörtert
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