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Flavia de Luce   Halunken  Tod und Teufel

Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel

Titel: Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel
Autoren: Bradley Alan
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hatten, sah ich die Gesichter meiner Schwestern wie Masken im Dunkeln schweben. Sie hatten sich mit einem rußigen Korken schwarze Ringe um Augen und Münder gemalt, und ich verstand die Botschaft sofort: »Pass bloß auf! Du bist in der Gewalt von Wilden!«
    Jetzt konnte ich auch das Rätsel der Roboterstimme lösen: Feely hatte in eine leere Kakaodose hineingesprochen.
    »Pariser Jett ist schließlich nur Glas«, fauchte sie und pfefferte die Dose auf den Boden, dass es nur so schepperte. »Das waren deine Worte. Was hast du mit Mamas Brosche gemacht?«
    »Es war ein Versehen«, jammerte ich unwahrheitsgemäß.
    Feelys Schweigen ließ mich neuen Mut schöpfen.
    »Die Brosche ist mir runtergefallen, und ich bin draufgetreten. Wenn es echter Jett gewesen wäre, wäre sie nicht kaputtgegangen. «
    »Gib sie mir wieder.«
    »Geht nicht. Die Brosche ist in lauter kleine Splitter zerbrochen, und die hab ich eingeschmolzen.«
    Genau genommen hatte ich das Ding mit einem Hammer zu schwarzem Sand zermörsert.
    »Eingeschmolzen? Wozu das denn?«
    Ich mochte ihr nicht erzählen, dass ich mit einem neuartigen Keramikkolben experimentierte, der auch die Hitze eines mit Sauerstoff angereicherten Super-Bunsenbrenners aushalten sollte.
    »Einfach so«, sagte ich stattdessen. »Ich hab einfach nur herumgespielt. «
    »Komischerweise glaube ich dir sogar«, erwiderte Feely, »du elender Wechselbalg.«
    Ich muss ein verständnisloses Gesicht gemacht haben.
    »Mit Wechselbälgern«, erklärte Daffy in gehässigem Ton, »verhält es sich so: Die Kobolde kommen bei Nacht und stehlen ein gesundes Baby aus seinem Bettchen. An seiner Stelle
lassen sie einen hässlichen, verschrumpelten Wechselbalg wie dich zurück – und eine völlig verzweifelte Mutter.«
    »Wenn du’s nicht glaubst, dann guck doch mal in den Spiegel«, setzte Feely noch eins drauf.
    Ich wurde sauer. »Ich bin kein Wechselbalg! Harriet hatte mich viel lieber als euch zwei blöde Ziegen zusammen!«
    »Und warum hat sie dich dann jede Nacht am offenen Fenster schlafen lassen? Sie hat die Hoffnung nie aufgegeben, dass ihr die Kobolde die richtige Flavia wieder zurückbringen.«
    »Das stimmt gar nicht!«
    »Leider doch. Ich war ja dabei. Ich hab’s gesehen. Ich kann mich dran erinnern.«
    »Du lügst!«
    »Nein, es stimmt. Ich hab mich an sie geklammert und gefleht: ›Bitte Mama, bitte mach, dass die Kobolde meine kleine Schwester wieder zurückbringen.‹«
    »Flavia? Daphne? Ophelia?«
    Das war Vater!
    Seine Stimme dröhnte mit Exerzierplatzlautstärke die Küchentreppe herab, wurde von den Mauern verstärkt und hallte von Bogen zu Bogen.
    Wir fuhren gerade rechtzeitig herum, um erst seine Stiefel, dann seine Hosenbeine, seinen Oberkörper und schließlich sein Gesicht auf der Treppe zu erblicken.
    »Was geht hier vor?«, fragte er und musterte uns drei mit zusammengekniffenen Augen. »Und wie seht ihr überhaupt aus?«
    Feely und Daffy wischten sich schon mit Handrücken und Unterarmen den Ruß aus den Gesichtern.
    »Wir haben bloß ›Räuber und Gendarm‹ gespielt«, kam mir Daffy zuvor und zeigte vorwurfsvoll auf mich. »Aber sie hält sich nie an die Spielregeln!«
    Bravo, Daff, dachte ich. Eine bessere Stegreifentschuldigung wäre mir auch nicht eingefallen.

    »Ich muss mich über dich wundern, Ophelia«, erwiderte Vater. »Ich hätte nicht gedacht …«
    Er verstummte. Manchmal kam es mir vor, als ob – war das möglich? –, als ob er sich vor meiner großen Schwester fürchtete .
    Feelys Gesicht war inzwischen völlig verschmiert. Sie sah zum Lachen aus – doch dann begriff ich, dass sie es darauf anlegte, mitleiderregende Augenringe zu bekommen.
    So ein Luder! Wie eine Schauspielerin, die sich mitten auf der Bühne schminkt. Ich konnte nicht umhin, ihre Dreistigkeit zu bewundern.
    Vater sah sie gebannt an wie das sprichwörtliche Kaninchen die Schlange. Er stand wie angewurzelt auf der drittuntersten Stufe.
    »Und du, Flavia? Ist alles in Ordnung?«, fragte er schließlich.
    »Ja, Vater«, antwortete ich.
    Ich wollte noch »Danke der Nachfrage« hinzufügen, biss mir aber auf die Zunge. Ich wollte es nicht übertreiben.
    Vaters Blick wanderte langsam von einer zur anderen, und sein kummervoller Ausdruck besagte, dass ihm angesichts des Verhaltens seiner Töchter schlicht die Worte fehlten.
    »Wir treffen uns um sieben im Salon und reden darüber«, rang er sich ab.
    Er gönnte uns einen letzten Blick, drehte sich um und stapfte die Treppe wieder
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