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Flavia de Luce   Halunken  Tod und Teufel

Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel

Titel: Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel
Autoren: Bradley Alan
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Philateliemesse, meine ich.«
    Das Wort »Philatelie« holte ihn sofort zurück.
    »Hoffentlich hast du ein paar schöne Marken für deine Sammlung gefunden.«
    Diesmal klang sein Seufzer frappierend wie das Röcheln eines Sterbenden. »Ich bin nicht nach London gefahren, um Briefmarken zu kaufen, Flavia, sondern um welche zu ver kaufen. «
    Sogar Feely rang nach Luft.
    »Unsere Tage auf Buckshaw sind womöglich gezählt. Bekanntlich gehört das Haus eurer Mutter, und da sie gestorben ist, ohne ein Testament zu hinterlassen …«
    Dieses Eingeständnis seiner Verzweiflung kam so plötzlich, dass ich wie vom Donner gerührt war.
    »Ich wollte die Brosche eigentlich jemandem bringen …«
    Einen Augenblick lang begriff ich gar nichts mehr.
    Natürlich wusste ich, dass die Kosten für die Unterhaltung von Buckshaw in den letzten Jahren ins Unermessliche gestiegen waren, ganz abgesehen von den regulären Steuern und der drohenden Erbschaftssteuer. Vater hatte die »blutrünstigen Finanzbeamten«, wie er sie nannte, bis jetzt in Schach gehalten, aber mittlerweile heulten die Wölfe offenbar vor unserer Haustür.
    Ab und zu hatten wir etwas davon mitbekommen, aber die
Bedrohung war für mich nicht greifbar gewesen – nicht beunruhigender als eine ferne Wolke am Sommerhimmel.
    Eine Zeitlang hatte Vater seine Hoffnung in Tante Felicity gesetzt, seine Schwester, die in Hampstead lebte. Daffy hatte angedeutet, dass viele seiner sogenannten »philatelistischen Ausflüge« in Wahrheit Besuche bei Tante Felicity waren, um sie um ein Darlehen zu bitten oder um die letzten Reste des Familienschmucks.
    Offenbar hatte ihn seine Schwester abgewiesen. Wir hatten selbst gehört, wie sie gesagt hatte, er müsse sich mit dem Gedanken anfreunden, seine Sammlung zu verkaufen. »Deine albernen Marken«, hatte sie wortwörtlich gesagt.
    »Irgendwas wird sich schon ergeben«, sagte Daffy fröhlich. »Es ergibt sich doch immer was.«
    »Nur bei Dickens, meine liebe Daphne«, erwiderte Vater, »nur bei Dickens.«
    Daffy hatte zum x-ten Mal David Copperfield gelesen. »Ich informiere mich über Pfandhäuser«, hatte sie geantwortet, als ich sie nach dem Grund gefragt hatte.
    Mir wurde klar, dass Vater Harriets Brosche – die ich vernichtet hatte – zum Pfandleiher hatte bringen wollen.
    »Darf ich gehen?«, fragte ich. »Mir ist auf einmal ganz schlecht.«
     
    Das war nicht gelogen. Ich schlief ein, kaum dass mein Kopf auf dem Kissen lag.
    Stunden später wachte ich wieder auf. Die Zeiger meines Weckers, die ich mit Leuchtfarbe nach eigener Rezeptur bemalt hatte, verrieten mir, dass es kurz nach zwei Uhr morgens war.
    Ich lag im Bett und beobachtete die Schatten der Bäume, die rastlos über die Zimmerdecke huschten. Seit ein Revierkampf zwischen zwei meiner entfernten Vorfahren in einem erbitterten Patt geendet hatte – und einem schwarzen Strich auf dem
Boden der Eingangshalle –, war dieser Flügel des Hauses unbeheizt geblieben. Die Zeit und das Wetter hatten ihren Tribut gefordert, und in fast jedem Zimmer lösten sich die Tapeten (meine waren senfgelb mit scharlachroten Würmern drauf) in zerknitterten Bahnen von den Wänden,wohingegen die Tapeten an den Decken bauchigen Girlanden glichen, über deren Inhalt man am besten gar nicht erst nachdachte.
    Im Winter machte ich mir oft einen Spaß daraus und tat so, als wohnte ich am Nordpol unter einem Eisberg, als sei die Kälte nur ein Traum, und wenn ich aufwachte, würde ein Feuer im Kamin prasseln und Dampf aus der Sitzbadewanne aus Zinn aufsteigen, die hinter der Tür in der Ecke stand.
    Das war und blieb ein schöner Wunschtraum, aber eigentlich konnte ich mich nicht beschweren. Ich schlief schließlich freiwillig hier. Im Ostflügel von Buckshaw – dem sogenannten »Tar-Flügel« – konnte ich ganz nach Belieben rund um die Uhr in meinem Chemielabor arbeiten. Weil meine Fenster nach Südosten gingen, konnte es hinter den Scheiben grell blitzen, ohne dass es jemandem auffiel; mit Ausnahme der Füchse und Dachse natürlich, die auf der Insel und in der künstlichen Ruine inmitten des künstlichen Sees hausten, und vielleicht des einen oder anderen Wilderers, deren Fußabdrücke und leere Patronenhülsen ich manchmal auf meinen Streifzügen durch das Gehölz fand.
    Das Gehölz!
    Meine Entführung durch Feely und Daffy, die anschließende Gefangenschaft im Keller, die öffentliche Abkanzlung durch Vater und schließlich meine bleierne Müdigkeit – das alles hatte sich miteinander
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