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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman
Autoren: Anne Perry
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entschlossen.
    Pitt sah erst ihn und dann Carmody an. »Nein«, sagte er. »Carmody. Brechen Sie gleich auf. Wenn Sie es nicht schaffen, zahlt Welling den Preis dafür, und ich werde dafür sorgen, dass Kydd davon erfährt.«
    Welling fuhr herum und sah ihn scharf an.
    Pitt lächelte. »Waren Sie etwa der Ansicht, ich kenne ihn nicht?«
    Welling stieß leise den Atem aus.
    »Kommen Sie jetzt?«, sagte Pitt zu Carmody.
    Dieser richtete sich auf. »Ja … Sir, ja, ich komme.«

    Das lange Warten begann unerträglich zu werden, und das keinesfalls nur wegen der Möglichkeit, dass Carmody sein Ziel nicht erreichte oder vielleicht gar nicht erst versuchte, seinen Auftrag zu erledigen. Zwar hatte Pitt gedroht, in dem Fall Welling die Folgen tragen zu lassen, doch war er nicht wirklich bereit, das zu tun. Einen Menschen für die Schwäche oder Feigheit eines anderen zu bestrafen erschien ihm nicht nur ungerecht, sondern geradezu abstoßend. Mehr noch aber setzte ihm das Bewusstsein dessen zu, was mit einem Erfolg des Unternehmens verbunden wäre: Piers Denoons Festnahme im Elternhaus vor den Augen des Vaters – um zu erreichen, dass sich Edward Denoon gegen Wetron stellte. Dabei waren Pitt Edward Denoons Empfindungen gleichgültig. Er war nicht stolz auf die Freude, die es ihm bereiten würde, einem so eingebildeten Menschen etwas heimzuzahlen, einem, der unter Umständen sogar an Wetrons Stelle die Leitung des Inneren Kreises übernehmen würde, wenn man ihn nicht daran hinderte. Doch bei dem Gedanken an Enid und Landsborough zog sich ihm das Herz zusammen, sogar schon jetzt, während er steifgefroren am Lieferanteneingang des gegenüberliegenden Hauses stand und wartete. Tellman, der dienstfrei hatte, war bei ihm, weil Pitt für eine Festnahme einen Polizeibeamten brauchte. Ganz davon abgesehen, hatte Tellman es auch verdient, die Früchte ihrer Arbeit zu ernten.
    Narraway, der es sich nicht hatte nehmen lassen, ebenfalls zu kommen, wartete etwa dreißig Schritt entfernt.
    Es war kurz nach sechs, ein heller, aber kühler Morgen. Gerade als Pitt zur Themse hinsah, von der ein kalter Wind herüberwehte, stieß ihn Tellman in die Seite.
    »Da ist er!«, flüsterte er, als jemand mit einem Paket auf dem
Arm die Stufen zum Nebeneingang des Hauses der Familie Denoon hinabeilte, so, als wolle er etwas liefern. Statt an die Tür der Spülküche zu klopfen, schloss er sie auf.
    Pitt eilte die Stufen empor und rief Narraway etwas zu. Dann lief er mit Tellman über die Straße und klopfte an die Tür des Denoon’schen Hauses.
    Ein junges Mädchen, das eine Schürze trug, öffnete. Ihre Hände waren mit Asche bedeckt – vermutlich war sie gerade damit beschäftigt gewesen, den Küchenherd auszuräumen.
    »Ja, Sir?«, sagte sie unsicher.
    »Polizei«, knurrte Tellman und schob sich an ihr vorüber.
    »Vielleicht sollten Sie besser den Hausherrn wecken«, fügte Pitt hinzu.
    Tellman war bereits auf dem Weg in die Küche. Pitt folgte ihm, vorüber an einem benommen dreinblickenden Stiefelputzer und einer Küchenmagd, die einen Eimer Kohlen trug.
    Sie fanden Piers in der Küche. Er war unrasiert, seine Wangen waren hohl, und die Augen lagen tief in ihren Höhlen.
    »Es ist sinnlos, durch die Hintertür entwischen zu wollen«, sagte Pitt ganz ruhig. »Dort steht jemand und wartet auf Sie.«
    Piers erstarrte. Entsetzen mischte sich mit einer Art sonderbarer und verzweifelter Erleichterung darüber, dass das Versteckspiel endlich vorüber war und er sich dem stellen konnte, was unvermeidlich auf ihn zukommen würde.
    »Piers Denoon«, sagte Tellman förmlich. »Ich nehme Sie wegen Mordes an Magnus Landsborough fest. Im Interesse Ihrer Angehörigen empfehle ich Ihnen, keine Schwierigkeiten zu machen.«
    Piers stand reglos, als könne er sich nicht bewegen. Tellman wusste nicht recht, ob er ihm Handschellen anlegen sollte oder nicht.
    »Gehen Sie nach nebenan, Mr Denoon«, sagte Pitt. »Es ist nicht erforderlich, Sie vor den Dienstboten festzunehmen.«
    Wie ein alter Mann machte sich Denoon daran, durch den Gang in den Wohntrakt des Hauses zu gehen. Tellman hielt sich einen halben Schritt hinter ihm.
    Als sie durch die mit grünem Tuch bespannte Tür kamen, sahen sie, dass Enid Denoon, die einen Morgenrock übergeworfen hatte, am Fuß der Treppe stand. Ihr lose herabfallendes schimmerndes Haar bildete einen scharfen Kontrast zu ihrem verhärmten Gesicht.
    »Was ist geschehen?«, fragte sie.
    Pitt hatte den schrecklichen Verdacht, dass sie
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