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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman
Autoren: Anne Perry
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als gehöre es zu ihren Gewohnheiten, mit guten Freunden, einem Dienstmädchen und dem Leiter des Staatsschutzes in einer Küche zu essen.
    »Die Nachmittagsausgabe von Denoons Zeitung wird Wetron als Helden feiern«, sagte Narraway finster. »Mit diesem Erfolg im Hintergrund kann er sich ausrechnen, dass er der nächste Polizeipräsident wird.«
    »Vermutlich hat er von Anfang an darauf hingearbeitet«, sagte Vespasia. »Ich muss gestehen, dass es kaum etwas gibt, was mich so wütend macht wie dieser Gedanke. Der Mann ist ein Ausbund an Niedertracht und wird dem ganzen Land nicht wieder gutzumachenden Schaden zufügen.«
    »Ganz davon abgesehen steht er nach wie vor an der Spitze des Inneren Kreises«, fügte Pitt hinzu. »Voisey, der ihm als Einziger hätte Widerpart bieten können, lebt nicht mehr. Ich denke, jetzt
wird lange Zeit niemand wagen, sich ihm offen entgegenzustellen.«
    Gracie verzog das Gesicht. »Der is nich anders wie wir auch un muss mit ein’m Bein nach’m ander’n in seine Hose steig’n. Irg’ndwo hat der bestimmt ’ne schwache Stelle. Es muss was geb’n, woran er nich denkt.«
    »Es sieht aber ganz so aus, als habe er an alles gedacht«, erwiderte Narraway. Einen Augenblick lang überraschte es ihn, dass sich ein Dienstmädchen die Freiheit herausnahm, sich am Gespräch der Herrschaften zu beteiligen. »Alles Beweismaterial, das wir kennen, lässt sich ebenso gut auf Voisey wie auf ihn beziehen. Simbister ist ganz und gar unglaubwürdig, und ich nehme an, dass Wetron ohnehin so viel Belastungsmaterial gegen ihn besitzt, dass der Mann unter keinen Umständen gegen ihn aussagen wird. Davon abgesehen dürfte es kaum etwas geben, was Wetron belastet. Zwar hat Voisey gesagt, er habe solche Beweise, aber niemand hat sie gesehen. Sollten sie existiert haben, hat Wetron sie inzwischen mit Sicherheit vernichtet.«
    »Nicht einmal Piers Denoons Geständnis würde uns weiterhelfen, da es ausschließlich Simbister belastet, dessen Fall so oder so aussichtslos ist«, fügte Pitt hinzu. »Wir haben zwar die Handhabe, Piers festzunehmen, aber von ihm führt keine Spur zu Wetron.«
    »Was für ’n Geständnis is das?«, fragte Gracie neugierig.
    »Piers Denoon hat eine junge Frau vergewaltigt. Simbister hat ihn damit erpresst und ihn auf diese Weise dazu gebracht, die Anarchisten zu unterstützen und Magnus Landsborough zu erschießen«, erklärte Pitt knapp. »Wetron hat das Geständnis in seinen Besitz gebracht. Das aber können wir nicht beweisen.«
    Angewidert verzog Gracie die Nase.
    »Wir … haben es aus Wetrons Panzerschrank geholt«, sagte Pitt, »und das dürfen wir natürlich öffentlich nicht sagen.«
    »Trotzdem«, ließ Gracie nicht locker, »es muss was geb’n, wovor er Angst hat oder was ’m schadet. Bei Mr Voisey war’s die Schwester. Hat Mr Wetron denn niemand?« Sie stieß einen leisen
Laut der Verärgerung aus. »Wir könn’n den doch nich einfach lauf’n lass’n!«
    »Er befindet sich in einer ausgesprochenen Machtposition!«, sagte Vespasia und sah auf Gracies schmale Gestalt ihr gegenüber. »Und den größten Teil seiner Macht übt er im Geheimen aus.«
    »Es muss aber doch jemand geb’n, dem das egal is!«, beharrte Gracie trotzig. »Wenn er so gemein is, hat er bestimmt jemand zugrunde gerichtet. Den müss’n wir nur find’n.«
    Langsam zeichnete sich in Pitts Gedanken etwas ab, doch gefiel ihm diese Vorstellung nicht. Die Sache würde nicht besonders hilfreich sein und könnte außerdem viel Zeit kosten.
    Charlotte sah ihn aufmerksam an. »Woran denkst du?«, fragte sie.
    Er rieb sich die Stirn. Mit einem Mal war er entsetzlich müde. Er schien seit Wochen keinen erholsamen Schlaf gehabt zu haben. Alles, woran er geglaubt hatte, brach um ihn herum zusammen; von dem Anstand, den er stets für selbstverständlich gehalten hatte, war keine Spur zu sehen. All das war Wetrons Werk, er verdarb die Guten und übte Verrat an denen, die ihm vertrauten.
    »Ich gehe wohl am besten zu den Landsboroughs und gebe dort Bescheid, dass wir wissen, wer ihren Sohn auf dem Gewissen hat«, sagte er und erhob sich langsam. »Sie haben ein Recht darauf, das zu erfahren. Um Piers Denoon festnehmen zu lassen, muss ich erst einmal wissen, wo er sich aufhält.«
    »Wenn du Lord Landsborough diese Mitteilung machst, gibt er das unter Umständen seiner Schwester weiter, und die kann Piers warnen«, sagte Vespasia zögernd. Auf ihrem Gesicht lag der Ausdruck tiefen Mitleids. »Oder ist das deine
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