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Du und ich und all die Jahre (German Edition)

Du und ich und all die Jahre (German Edition)

Titel: Du und ich und all die Jahre (German Edition)
Autoren: Amy Silver
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    1. Kapitel
    Weihnachtsmorgen 2011
    Es ist noch dunkel, und das ganze Haus schläft. Unbemerkt schlüpfe ich aus unserem warmen Bett und ziehe mich im Badezimmer an, damit Dom nicht aufwacht. Ich schleiche die Treppe hinunter, immer schön auf der linken Seite (knarrt nicht so). Die Hunde liegen zusammengerollt in ihrem großen Korb im Wirtschaftsraum; Mick, eine überdimensionierte Mischung aus Schäferhund, Rottweiler und einem Kuvasz, hat sich um Marianne gewickelt, unsere winzige Windhündin mit goldenem Fell. Ich öffne die Tür, und die beiden schauen mich verschlafen an.
    «Los geht’s», flüstere ich, während ich mir die Gummistiefel überziehe, bei deren Anblick die zwei sich schon fast überschlagen. Mick bellt enthusiastisch.
    «Leise!», schimpfe ich vergeblich und greife schnell nach der Klinke der Hintertür, um ihn rauszulassen, ehe er das ganze Haus aufweckt. Sind sie wach, wollen sie mit.
    Die Hunde springen nach draußen auf den verschneiten Rasen, der unter ihren Pfoten knirscht, weil er allmählich überfriert. Ich ziehe den Reißverschluss meines Parkas, so hoch es geht, verstecke die Nase hinter dem Stoff, um mich vor dem bitterkalten Wind zu verstecken. Langsam kriechen die ersten kalten Wintersonnenstrahlen über den Rasen.
    Die Hunde wedeln wie wild mit den Schwänzen und warten am Gartentor auf mich. Mick stupst mit der Nase gegen den Riegel. Eines Tages wird er darauf kommen, dass er nur seine Schnauze anheben muss, und das Tor wäre offen. Zum Glück ist er nicht allzu clever, daher liegt dieser Tag wohl in weiter Ferne. Wenn Marianne groß genug wäre, um an den Riegel heranzukommen, hätte sie schon längst den Bogen raus.
    Ich schiele zum Fenster des Gästezimmers hinauf. Die Vorhänge sind zugezogen. Meine Schwiegereltern schlafen noch. Aber bestimmt nicht mehr lange. Wir drei stehlen uns davon, den Weg hinterm Haus entlang in Richtung Wimbledon Common.
    Die Hunde laufen vor mir her, Mick in einem leichten Trott, Marianne rennt. Sie ist kurz außer Sichtweite, kommt dann zurück und hüpft aufgeregt wie ein Äffchen auf und ab. Die Kleine findet uns einfach zu lahm. Weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen. An einem normalen Arbeitstag sind um halb acht schon eine Menge Jogger und Leute mit Hunden unterwegs, auch mitten im Winter. Nicht so heute. Heute erholen sich alle noch vom Truthahn und dem Weihnachtsgebäck. Es herrscht eine unheimliche Stille, kein Vogel singt, kein Verkehr, nicht einmal ein Flugzeug ist in der Ferne zu hören. Ich beschleunige meine Schritte, einerseits um mich aufzuwärmen, andererseits jagt mir diese Ruhe tatsächlich ein wenig Angst ein.
    Dom hasst es, wenn ich so früh allein rausgehe.
    «Niemand wird mir irgendwas tun, solange ich Mick dabeihabe», beruhige ich ihn dann immer. Dabei wissen wir natürlich beide, dass unser geliebter Hund zwar furchteinflößend aussieht, aber im Falle eines Falles sofort den Schwanz einziehen würde. Er lässt sich sogar von der kleinen Nachbarskatze ins Bockshorn jagen. Marianne wäre als Schutzhund schon eher zu gebrauchen; sie kann ganz schön giftig werden, wenn sie sich provoziert fühlt.
    («Genau wie du», sagt Dom dann zu mir, mit einem Augenzwinkern, obwohl er es wirklich so meint.)
    Wir haben jetzt die Windmühle erreicht. Hier müssten wir eigentlich umkehren. Die Belegschaft zu Hause ist inzwischen bestimmt wach, meine angeheiratete Verwandtschaft besteht aus lauter Frühaufstehern, die sofort Frühstück wollen. Wenn es noch nicht fertig auf dem Tisch steht, kreidet meine Schwiegermutter mir das als Vernachlässigung meiner ehelichen Pflichten an. Das tut sie oft und gern, insofern ist es heute eigentlich auch egal. Die Hunde waren seit zwei Tagen kaum draußen und brauchen jetzt einen anständigen Spaziergang. Und ich brauche Zeit, um nachzudenken und im Kopf eine Liste der Dinge zu erstellen, die ich noch erledigen muss.
    Am 29. Dezember, in nur drei Tagen, fliegen wir nach New York. Silvester in New York! Kutschfahrten durch den Central Park, Schlittschuhlaufen am Rockefeller Center, Cocktails in der Met! Aufregend … aufregend, aber auch nervenaufreibend. Eine Menge Freunde von früher sind – aus den unterschiedlichsten Gründen – nach New York gezogen. Erstaunlich viele sogar. Und dort warten sie nun auf mich, die Schatten der Vergangenheit. Davon abgesehen habe ich einfach wahnsinnig viel zu tun, bevor wir losfahren: Ich muss den Weihnachtsschmuck abnehmen. (Ja,
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