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Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman

Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman

Titel: Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman
Autoren: emons Verlag
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Mitternachtsgewitter
    Wenn in hingebungsvoll gepflegten Gärten
    Gärtner nichts Unerwünschtes am falschen
    Platz wachsen lassen, kann es passieren,
    dass an anderem Platz das Unerwünschte
    spontan ins Kraut schiesst.
    Christa Schyboll
    Der mitternächtliche Himmel hatte sich rasch bezogen. Noch als ich, Franz Eugster, im Dorf Wald aus dem letzten nachts fahrenden Postauto gestiegen war, hatte er sich sternenklar präsentiert. Dennoch wäre mir das zu wenig Licht für die normale Route zu meinem Häuschen oben auf dem Tannenhügel gewesen, denn die führt stellenweise durch den Wald, und da war es mir ganz einfach zu finster. Deshalb hatte ich die etwas weitere, aber immer offen daliegende Route dem Strässchen entlang gewählt, das vom Dorf am Landgasthof Hirschen vorbei in Richtung Grund und Tanne führt. Von dort kann ich den letzten Teil des Weges durch die Wiesen hinaufstapfen.
    Jetzt aber zogen in schneller Folge dunkle Wolken vom Alpstein her in Richtung Bodensee. Wenn ich meinen Blick nach rechts zum Säntis wandte, konnte ich schon heftiges Wetterleuchten sehen. Noch aber war kein Donnergrollen zu hören. Nur die Glocken einer Rinderherde, die auf der Wiese am Wegesrand graste, störten die nächtliche Stille. Dem hellen und hohen Glockenklang nach zu schliessen, handelte es sich um Kälber. Die Glocken von Mutterkühen klingen wesentlich dunkler und tiefer, weil sie grösser sind.
    Wieder einmal wunderte ich mich darüber, wie die Kühe dieses permanente Bimmeln eigentlich aushalten. Bei Menschen hätte man längst irgendwelche Lärmschutzparagrafen bemüht, um diesen Lärm zu stoppen. Nur um das Gehör der armen Kühe kümmerte sich keiner. Wobei, so arm waren sie gar nicht dran. Wie ich im spärlicher werdenden Licht gerade noch erkennen konnte, lagen einige am Boden und waren mit Wiederkäuen beschäftigt. Und das hatte ich mir immer schon als sehr angenehmen Gemütszustand vorgestellt.
    Natürlich konnte ich mir das nicht wirklich vorstellen. Mein lange vorhandener Wunsch, mich mal für eine Stunde in das eine oder andere Tier hineinversetzen zu können, wird wohl nie realisiert werden. Also muss ich mich mit meiner Phantasie behelfen und versuchen mir vorzustellen, wie es wäre, wenn mein innerer Beobachter, der nicht nur registriert, was in der Aussenwelt vor sich geht, sondern auch das, was sich im eigenen Bewusstsein abspielt, wahrnehmen könnte, was zum Beispiel in einer wiederkäuenden Kuh abgeht.
    Ich denke, sie ist sehr zufrieden. Sie weiss, dass sie für einige Zeit genug Gras gefressen hat und sich jetzt gemütlich auf den Boden fläzen kann, mit nichts anderem beschäftigt, als das schon gefressene Gras mit langsam mahlendem Gebiss noch einmal zu zerkleinern. Ich male mir das als sehr kontemplativen Bewusstseinszustand aus.
    So in der bodenständigen Gedankenwelt einer noch zu schreibenden Hirten-Philosophie versunken, näherte ich mich dem Hirschen. Dort war keinerlei Licht zu sehen, was mich nicht weiter verwunderte. Erstens gab es dort zu mitternächtlicher Stunde schon lange nur noch höchst selten Gäste, und zweitens war heute Ruhetag. Nur in der Wohnung über dem Saal, die seit Jahren von einem deutschen Kelten-Forscher gemietet wurde, war öfters zu später Stunde Licht zu sehen, doch jetzt lag auch sie im Dunklen. Entweder war ihr Bewohner ausnahmsweise früher zu Bett gegangen, oder er war gar nicht da, weil unterwegs auf einer seiner häufigen Reisen.
    Da ich nicht erwartete, dass vom Hirschen selbst ein Licht ausging, dachte ich zunächst, es handle sich um die Spiegelung des Wetterleuchtens in den Fensterscheiben. Dann wurde ich stutzig, denn das Licht zeigte sich nur in zwei Fenstern. Es waren die zum Dorf gerichteten Fenster von einem der beiden unter dem Saal liegenden Gästezimmer des Hirschen. Da ich dort immer wieder mal Gäste unterbringe, kannte ich das Innere dieses Zimmers. Je näher ich kam, desto deutlicher wurde, dass in diesem Zimmer ein Licht brannte.
    Da der Hirschen immer wieder auch an seinen Ruhetagen Übernachtungsgäste beherbergt, war das nicht weiter verwunderlich. Nur die Art des Lichts stimmte nicht. Da brannte offenkundig weder eine Decken- noch eine Nachttischlampe. Vielmehr handelte es sich um einen dünnen, aber scharfen Lichtstrahl, der im Zimmer herumzuwandern schien.
    Während ich noch sinnierte, warum ein Gast sein Zimmer mit einer Taschenlampe ausleuchtet, hörte ich einen scharfen Knall. Der hatte nichts mit dem sich nähernden Gewitter zu
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