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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman
Autoren: Anne Perry
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es ahnte.
    »Es tut mir aufrichtig Leid, Mrs Denoon.« Mit diesen Worten war es ihm ernst. Er hätte viel darum gegeben, es ihr nicht sagen zu müssen. Es hätte ihn weit weniger geschmerzt, wenn Edward Denoon statt seines Sohnes dort gestanden hätte.
    Piers sah seine Mutter an, doch war deutlich zu sehen, dass er das nicht tat, weil er sich von ihr Hilfe erhofft hätte. Ihm war klar, dass niemand etwas für ihn tun konnte. »Ich wusste nicht, wie ich mich der Sache stellen sollte, und dachte, ich könnte mich ihr entziehen«, sagte er schlicht.
    Enid sah an ihm vorüber auf Pitt.
    Sie verdiente eine Erklärung. Er hielt sie so einfach, wie er konnte. »Vor drei Jahren hat er ein Verbrechen begangen«, sagte er. »Die Polizei hat sein Geständnis und die Aussagen der Zeugen zurückgehalten und sie dazu benutzt, ihn zu erpressen, damit er für die Anarchisten Geld beschaffte. Man wollte durch die Bombenanschläge die öffentliche Meinung so weit aufstacheln, dass sich die überwiegende Mehrheit dafür aussprach, die Polizei mit Schusswaffen auszurüsten und ihr größere Vollmachten zu geben.«
    Ihr Gesicht war aschfahl. Sie verstand, was als Nächstes kommen würde. »Und Magnus wusste das?«
    »Das entzieht sich meiner Kenntnis«, gab er zu. »Auf jeden Fall aber hat man ihn getötet, um die öffentliche Empörung zu schüren und zu erreichen, dass das Thema Anarchismus in allen Zeitungen behandelt wurde. Hätte das Opfer nicht einer bekannten Familie angehört, wäre die Sache wahrscheinlich nicht so hochgespielt worden.«
    »Die Polizei hat das getan?«, fragt sie. »Wer steckt dahinter?
Dieser Simbister – oder Wetron, der gestern Voisey getötet hat? Nein, sagen Sie nichts. Er muss es sein, sonst wäre Ihnen die Sache nicht noch immer so wichtig. Ich sehe es Ihnen an.« Sie richtete den Blick auf ihren Sohn. »Ich werde es deinem Vater sagen. Ich zweifle, dass er eine Möglichkeit hat, dir zu helfen, aber bestimmt wird er es versuchen. Ich tue, was ich kann.« Zu Pitt sagte sie: »Meine Pflichten hier im Hause hindern mich daran, Sie hinauszubegleiten. Ich verstehe, dass Sie getan haben, was Sie tun mussten – und jetzt ist die Reihe an mir.« Sie wandte sich um und ging langsam die Treppe empor, die Hand auf das Geländer gelegt, als müsse sie sich daran festhalten.
    Pitt folgte Tellman und Piers Denoon nach draußen, wo Narraway mit einer Droschke auf sie wartete. Tellman legte dem jungen Mann die Handschellen an, für den Fall, dass er plötzlich in Panik geriet und davonlief oder gar versuchte, sich aus der Droschke zu stürzen. Narraway stieg mit ein.
    »Gut gemacht, Pitt«, sagte er freudlos. »Tut mir Leid, aber Sie werden sich eine andere Droschke suchen müssen.«
    »Ja, Sir«, gab Pitt zurück. »Jetzt muss ich möglichst rasch zu Lady Vespasia. Ich denke, Mrs Denoon braucht jeden Trost, den man ihr geben kann.«
    »Es ist noch nicht einmal sieben!«, gab Narraway zu bedenken.
    Pitts Entschluss war unumstößlich. Sein eigener Kummer diktierte ihm die Notwendigkeit, nicht bis acht oder neun Uhr zu warten, um die Nachricht zu überbringen. »Ich weiß. Falls ich warten muss, werde ich mich dem fügen.« Ohne Narraways Antwort abzuwarten, wandte er sich um und schritt der nächsten Querstraße entgegen, wo er eine Droschke zu finden hoffte. Sofern er keine bekam, würde er zu Fuß gehen. Es waren nicht einmal drei Kilometer.
    Als endlich eine Droschke kam, hatte er nur noch zehn Minuten zu gehen, und so ließ er sie vorüberfahren.
    Natürlich war Vespasia noch nicht aufgestanden, aber ihr Dienstmädchen kam an die Tür und forderte Pitt auf, im Salon zu warten, während sie ihre Herrin weckte.
    »Bitte sagen Sie ihr, dass Mrs Denoon ihren Trost so bald wie möglich braucht«, fügte Pitt hinzu.
    »Gewiss, Sir. Soll ich dem Küchenmädchen sagen, dass es Ihnen Tee und Toast bringt?«
    »Ach bitte, ja.« Mit einem Mal merkte Pitt, wie sehr er fror und wie unglücklich er war. Er empfand eine tiefe innere Leere. Zwar hatte er die Wahrheit ermittelt, doch war ihm bewusst, dass Piers Denoon nichts weiter als eine unbedeutende Schachfigur im Spiel anderer gewesen war. Wetron befand sich nach wie vor nicht nur auf freiem Fuß, sondern durfte sich auch als Gewinner der Partie fühlen. Es war mehr als unsicher, ob ihm Edward Denoon auf die eine oder andere Weise das Handwerk legen würde. Eher musste man damit rechnen, dass ihn Wetron auf seine Seite zog, indem er dafür sorgte, dass man Piers entweder
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