Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben
Autoren: Petra Reategui
Vom Netzwerk:
gewährt?«
    Die Frau machte ein erschrockenes Gesicht und riss die Augen auf.
Dann holte sie tief Luft, was angesichts ihres Brustumfangs reichte, um den
selbst ernannten Inquisitor alle Diebe der Welt vergessen zu lassen, stemmte
die Arme in die Hüften und rief:
    Â»Welch eilfertige Unterstellung! Hätten wir einen Dieb gesehen, säße
er längst im Weckschnapp.«
    Â»Da gehört er auch hin! Er hat mir das Wams zerrissen, ein halbes
Pferd gestohlen, ach, was sage ich, ein ganzes, ist darauf hinfortgeritten, und
es sollte mich nicht wundern, wenn er unterwegs den einen oder anderen ermordet
hat.«
    Â»Unglaublich!« Die Frau schüttelte
in ehrlicher Entrüstung den Kopf, was zur Folge hatte, dass Massen
dunkelbrauner Locken hin- und herflogen. Angesichts dessen fiel es dem Befrager
immer schwerer, sich auf die Angelegenheit der Verfolgung und Ergreifung zu
konzentrieren. »Wie sieht er denn aus?«, hakte sie nach.
    Â»Feuerrote Mähne.« Der Mann
schürzte die Lippen. »Nebenbei, seid Ihr nicht mitunter sehr alleine hier am
Bach?«
    Ein honigsüßes Lächeln breitete sich auf den Zügen der Frau aus.
»Aber sicher.«
    Â»Nun ja –« Er legte die Fingerspitzen aufeinander.
    Â»Wisst Ihr«, fügte sie hinzu, »manchmal denke ich, es wäre schön,
jemanden zu haben, der einfach dasitzt und mir zuhört. Denn wenn mein Gatte,
Ihr müsst wissen, er ist ein angesehener Prediger der Dominikaner, auf der
Kanzel spricht, dann bin ich ganz alleine. Sieben Kinder habe ich geboren, aber
sie treiben sich rum und suchen wohl die anderen fünf.«
    Â»Was?«, stammelte der Mann. »Welche anderen fünf? Ich denke, Ihr
habt sieben.«
    Â»Sieben aus der ersten Ehe. Mit dem Kanonikus sind’s nochmal fünf,
macht gemeinschaftlich zwölf hungrige Mäuler und nichts zu essen, denn glaubt
ja nicht, dass das bisschen Färberei was abwirft.« Sie schaffte es, noch
strahlender zu lächeln. »Nun frage ich mich, ob es sinnvoll wäre, dem Antoniter
den Laufpass zu erteilen.«
    Â»Ã„h – war’s nicht eben noch ein Dominikaner?«
    Â»Ja, vorhin. Aber jetzt spreche ich von meinem Antoniter. So ein
schlapper Hund! Wenn ich dagegen Euch betrachte –«
    Â»Nein, wartet.«
    Â»Ein Mann von Eurer Größe, gebaut
wie ein Heiliger, ein Quell der Weisheit, ganz anders als der Weinhändler, mit
dem ich –«
    Â»Ja, gewiss. Habt einen
guten Tag.« Der Mann beeilte sich, seinen Kameraden zu folgen, die
kopfschüttelnd zurück in Richtung Kornpforte gegangen waren. »Und solltet Ihr
den Dieb sehen«, rief er ihr im Davonlaufen zu, »dann bestellt ihm – also, sagt
ihm – fragt ihn –«
    Â»Was, edler Herr?«
    Â»Genau. Genau das.«
    Sie blickte den Dreien nach, bis sie verschwunden waren.
    Dann musste sie furchtbar lachen.
    Ihr Lachen war lauter als die Glocken von St. Georg. Nach einer
Weile taten ihr die Seiten weh, und die Tränen liefen ihr übers Gesicht, so
dass sie kaum sah, wie sich das blaue Tuch aus den Fluten erhob, abgestreift
wurde und ein tropfnasser, verzweifelt nach Luft japsender Jacop der Fuchs zum
Vorschein kam.
    Richmodis von Weiden
    Â»Ihr seid also ein Dieb?«
    Jacop lag neben ihr, immer noch benommen, und hustete den letzten
Rest Wasser aus seinen Lungen. Es hatte einen scharfen Beigeschmack. Weiter
oberhalb der Blaufärber hatten die Rotgerber ihr Quartier, und da geriet
einiges in den Bach, was man besser nicht herunterschluckte.
    Â»Ja«, keuchte er. Sein Brustkorb hob und senkte sich. »Und ein ganz
schlimmer obendrein!«
    Sie zog einen Schmollmund.
    Â»Mir habt Ihr weisgemacht, selber vor Dieben und Mördern auf der
Flucht zu sein.«
    Â»Irgendwas musste ich ja erfinden. Tut mir Leid.«
    Â»Ach was.« Sie versuchte, sich ein Kichern zu verkneifen, aber es
gelang ihr nicht. »Pontius Pilatus wusch seine Hände in Unschuld. So wie Ihr
gebadet habt, seid Ihr reif zum Predigen.«
    Jacop stemmte sich hoch und schüttelte das Wasser aus seinen Haaren.
    Â»Ich bin reif für was zu beißen. Mein Mittagessen war in dem
Mantel.«
    Â»Welchem Mantel?«
    Â»Dem – na, meinem Mantel halt. Ich musste ihn auf dem Forum lassen.
Widrige Umstände.«
    Â»Wohl in Gestalt diverser Leute, die wiederhaben wollten, was Ihr
ihnen nicht ganz rechtmäßig abgenommen habt.«
    Â»Im weitesten Sinne – ja«, gab
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher