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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben
Autoren: Petra Reategui
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dürft.«
    Â»Warum habt Ihr keinen Mann, Richmodis?«
    Â»Gute Frage. Warum habt Ihr kein Weib?«
    Â»Ich – ich habe ein Weib.« Jacop fühlte Verlegenheit in sich
aufsteigen. »Nein, eigentlich nicht. Wir verstehen einander nicht mehr so
besonders. Nennt sie meinethalben eine Freundin.«
    Â»Sorgt Ihr für sie?«
    Â»Einer sorgt für den anderen, na ja. Sofern einer gerade was übrig
hat.«
    Jacop hatte nicht beabsichtigt, traurig zu klingen, aber zwischen
Richmodis’ Brauen bildete sich eine steile Falte. Sie lächelte nicht mehr, betrachtete
ihn vielmehr, als wäge sie die unterschiedlichsten Möglichkeiten ab, auf das
Gehörte zu reagieren. Ihr Blick wanderte die Bach hoch. Von den Nachbarn, die
gerade draußen waren und ihre Färberbottiche füllten, sah einer zu ihnen
herüber und dann schnell wieder weg.
    Â»Sie werden sich das Maul zerreißen, was Goddert von Weidens Tochter
alldieweil mit einem halb nackten Rotschopf zu schaffen hat«, schnaubte sie
verächtlich. »Und bei der nächsten Gelegenheit erzählen sie’s dann meinem
Vater.«
    Â»Schon gut«, sagte Jacop hastig. »Ihr habt genug getan. Ich
verschwinde.«
    Â»Ihr werdet nichts dergleichen tun«, fuhr sie ihn an. »Um den Alten
braucht Ihr Euch nicht zu sorgen. Wartet hier.«
    Ehe Jacop etwas sagen konnte, war sie im Haus verschwunden.
    Er wartete also.
    Jetzt, da er alleine war, starrten mehr Leute zu ihm herüber.
Unverhohlene Neugier mischte sich mit offenem Misstrauen. Jemand zeigte auf
ihn, und Jacop überlegte, ob es nicht doch besser sei, einfach zu verschwinden.
    Aber was sollte Richmodis denken, wenn er einfach das Weite suchte?
Wie könnte er das überhaupt angesichts der schönsten schiefen Nase, deren
Besitzerin ihm je ihre Aufmerksamkeit gezollt hatte?
    Versonnen nestelte er an dem Tuch herum.
    Die Blicke der Nachbarn wurden sofort bedrohlich, und er zog die
Hand weg. Jemand trieb eine Schar Gänse des Wegs daher und musterte ihn
verstohlen.
    Jacop begann zu pfeifen und vergnügte sich einstweilen damit, das
Haus der von Weidens näher in Augenschein zu nehmen. Es war nicht unbedingt das
prächtigste, stellte er fest. Sein vorkragender erster Stock wies sich durch
zwei kleine Fenster aus, und mit dem gedrungenen Spitzdach darüber schien es
zwischen den anliegenden Bauten beinahe zu verschwinden. Aber das Fachwerk war
gepflegt, die Balken erst vor kurzem dunkel nachgestrichen, und neben der Türe
blühte unter dem Fenster zur Stube ein Busch fetter, gelber Blumen. Offenkundig
war das Richmodis’ Werk.
    Richmodis, die Entschwundene.
    Er sog laut die Luft ein und trat von einem Bein aufs andere.
Unklug, länger zu verweilen. Besser, er –
    Â»Hier!« Richmodis erschien wieder unter dem Türbalken, einen Packen
Zeug vor sich hertragend, wohinter sie fast vollständig verschwand. »Nehmt das.
Der Mantel ist alt, aber immer noch besser, als dass Ihr ständig die Weiber
erschreckt. Und da«, – ehe Jacop sich’s versah, fühlte er etwas auf seinen Kopf
gedrückt und verlor jede Sicht – »ein Hut gegen Regen und Schnee. Die Krempe
hängt ein bisschen, aber dafür ist er dicht.«
    Â»Die Krempe hängt ein bisschen sehr«, bemerkte Jacop und schob mit
einer Hand das unförmige Ding in den Nacken, während er mit der anderen bemüht
war, festzuhalten, was sie ihm auflud.
    Â»Meckert nicht! Des Weiteren ein Wams und eine Hose. Mein Vater wird
mich in den Kacks wünschen. Nehmt außerdem die Stiefel mit. Und jetzt macht
Euch aus dem Staube, bevor sich halb Köln zu der Idee versteigt, Ihr wolltet um
meine Hand anhalten.«
    Jacop hatte eigentlich gedacht, dass ihn so schnell nichts aus der
Fassung bringen könne. Jetzt starrte er auf seinen neuen Besitz und war entgegen
seiner Natur sprachlos.
    Â»Warum tut Ihr das?«, brachte er endlich heraus.
    Ein spitzbübisches Lächeln zauberte winzige Fältchen um ihre Augen.
    Â»Niemand schenkt mir ungestraft eine Flöte.«
    Â»Oh!«
    Â»Natürlich seid Ihr jetzt in der Verpflichtung, mir das Spielen
beizubringen.«
    Plötzlich hatte Jacop das innige Bedürfnis, den Fleischer und alle,
die ihn auf die Bach gejagt hatten, an sein Herz zu drücken.
    Â»Ich werde es bestimmt nicht vergessen.«
    Â»Das will ich Euch auch nicht geraten haben.«
    Â»Wisst Ihr was?«, krähte er übermütig.
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