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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben
Autoren: Petra Reategui
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beraten
gemeinsam eine Sache, und Gerhard, den wir alle schätzen, ein hoch geachteter
Bürger dieser Stadt und lieber, enger Freund, mag sich uns nicht anschließen.
Sein gutes Recht, sage ich. Wir hätten es wissen sollen, anstatt in seiner
Gegenwart so leichtfertige Reden zu führen. Wenn es nun Probleme gibt, dann
durch unsere Schuld.«
    Â»Es geht hier nicht um Schuld«, sagte Daniel.
    Â»Doch. Darum geht es das ganze Leben. Aber gut, es ist passiert.
Kuno hier reklamiert, in Gerhard einen Freund zu haben, für dessen
Verschwiegenheit er sich verbürgt.«
    Â»Das kann er nicht«, stieß Daniel hervor. »Gerhard hat uns klar zu
verstehen gegeben, was er von unserem Unterfangen hält.«
    Â»Er hat unser Angebot, ihn in die Gruppe aufzunehmen, abgelehnt. Na
und? Das heißt noch lange nicht, dass er uns verraten wird.«
    Daniel sah mürrisch vor sich hin.
    Â»Na gut, Johann«, seufzte Mathias. »Es heißt aber auch nicht, dass
wir irgendwelche Garantien haben. Was schlägst du also vor?«
    Â»Wir reden noch mal mit Gerhard. Prüfen seine Ergebenheit und Treue.
So, wie ich ihn einschätze, werden wir danach ruhig schlafen können.« Johann
sah zu Kuno hinüber, auf dessen Zügen sich ein Anflug von Erleichterung
bemerkbar machte. »Ich denke, das wird auch im Interesse unseres jungen
Freundes sein.«
    Â»Ich danke Euch«, flüsterte Kuno. »Ihr werdet es gewiss nicht
bereuen.«
    Johann nickte ernst.
    Â»Dann lasst auch Eure Brüder wissen, dass sie sich keine Sorgen mehr
machen sollen.«
    Der junge Mann zögerte, beugte kurz das Haupt und verließ den Raum.
Zurück blieben Johann, Mathias, Daniel und die Frau im Schatten.
    Von draußen erklang das schürfende Geräusch eines vorbeirollenden
Fuhrwerks. Stimmen drangen schwach nach oben, Fetzen von Konversation. Eine
Schar Kinder rannte lärmend und streitend vorbei.
    Nach einer Weile sagte Johann tonlos: »Was sollen wir tun, Mutter?«
    Die Hände begannen sich zu bewegen. Dürre Finger zuckten, krabbelten
übereinander, raschelten in den Falten des schwarzen Brokats wie Spinnen.
    Ihre Stimme war nicht mehr als ein Knistern.
    Â»Bringt ihn um.«
    Die große Mauer
    Als Jacop zu dem Platz, den
er seinen Wohnsitz nannte, zurücklief, beschloss er kurzfristig, Tilman zu
besuchen, einen Freund, der in einer weniger feinen Gegend wohnte.
    Die Klassifizierung war ein Witz. Keiner von ihnen wohnte in einer
annähernd guten Gegend. Aber unter den Bettlern und Ärmsten der Armen, die
nicht mal einen Platz in einem der Hospitäler und Konvente fanden, hatten sich
während der letzten Jahre merkwürdige Hierarchien herausgebildet – und dazu
gehörte auch das Mauerrecht oder Status muri.
    Die Geschichte des Status begann genau genommen Ende des
vorangegangenen Jahrhunderts, als die Kölner aus der schwelenden Feindschaft
zwischen Kaiser Barbarossa und Heinrich dem Löwen Konsequenzen zogen, die das
Erscheinungsbild der Stadt nachhaltig verändern sollten. Heinrich, Herzog von
Sachsen, der Welfe war, hatte dem Staufer Barbarossa nämlich kurzerhand die
Freundschaft aufgekündigt. Was nichts anderes hieß, als dass Barbarossa seine
waffenstarrende Fehde mit Papst Alexander III. gefälligst ohne ihn auszufechten
habe.
    Das eigentlich Vertrackte an der Sache war, dass der damalige Kölner
Erzbischof, Philipp von Heinsberg, in Barbarossas Kriegen fleißig mitmischte
und den Löwen nun des Vertrauensbruchs auch gegen ihn bezichtigte.
Erfahrungsgemäß führten solche Zwistigkeiten zu Mord und Totschlag, allerdings
primär an denen, die für den Schlamassel gar nichts konnten. Für die Bauern
machte es also keinen Unterschied, ob das jeweils durchziehende Heer ihrem oder
dem feindlichen Herrscher diente. So oder so wurden ihre Frauen vergewaltigt,
ihre Kinder erschlagen und sie selber mit den Füßen ins Feuer gehalten, bis sie
verrieten, wo ihr bisschen Erspartes war. Ihr Hof wurde niedergebrannt, die
Vorräte konfisziert oder an Ort und Stelle aufgegessen, und weil die Soldaten
durchaus einsahen, dass ein Bauer ohne Hof nicht überlebensfähig war, hängten
sie ihn der Ordnung halber an den nächsten Baum und zogen weiter.
    Niemand regte sich groß darüber auf.
    Kritischer wurde es allerdings, wenn sich der ständige Hader auf dem
Rücken des Klerus entlud. Als Philipp von Heinsberg im Mai 1176 nach
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