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Vorgetäuscht: Liebesroman (German Edition)

Vorgetäuscht: Liebesroman (German Edition)

Titel: Vorgetäuscht: Liebesroman (German Edition)
Autoren: Elisa Lorello
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FEBRUAR
    Ich packte Bücher, Stifte, Seminararbeiten und die Wasserflasche zusammen und zog den Mantel über; die Studenten, die fünf Minuten vor Ende der Stunde aus dem Raum abzogen, ließen matschige Schuhabdrücke und eine allgemeine Lustlosigkeit zurück. Auch den Besten unter uns passiert es irgendwann einmal, dass sie schlechten Unterricht machen und die Studenten wegdösen. Einer von ihnen hatte heute sogar geschnarcht. Mit meiner Aktentasche und einem Einkaufsbeutel über der Schulter verließ ich den stickigen Raum, als die nächsten Studenten – ich glaube, für Politik – langsam hereinströmten. Ich war durch mit meinem Tag, jedenfalls mit dem Unterrichten. Drei Stapel Essays warteten auf meine ausdauernde Lektüre und Beurteilung. Ausdauernd war natürlich eine Übertreibung; wenn ich gut war, schaffte ich rund fünf in der Stunde, und drei Stunden hielt ich maximal durch. Mit Pausen. Wenn unsere Gehirne doch nur Scanner hätten oder so was wie Gedankenverschmelzung funktionieren würde. Es ist mein dreckiges kleines Geheimnis, dass ich lieber die
Simpsons
gucke als Shakespeare zu lesen. Bald fliegt das auf, da bin ich mir sicher, so wie alles andere …
    Ich bin wieder nach Long Island gezogen, weil Maggie, meine beste Freundin und ehemalige Kollegin vom South Coast Community College in Massachusetts, inzwischen den Fachbereich Kreatives Schreiben an der Brooklyn University leitete und mir eine Stelle als Assistentin und Vollzeitdozentin angeboten hatte. Maggie und ich hatten an einigen Projekten und Artikeln am SCCC zusammengearbeitet. (Den besten Artikel wollten wir nie veröffentlichen, den hatten wir nur geschrieben, um mal ein bisschen Dampf abzulassen, »Scheißauf Methoden: Wir wollen Kunstwerke!«) Stundenlang konnten wir uns die Köpfe heiß reden – über Kompositionstheorien und unterschiedliche pädagogische Ansätze, Artikel von Wendy Bishop und wie es war, gemeinsam mit Lad Tobin zu unterrichten (den ich den »Woody Allen der Rhetorik« nannte). Sie erkannte mich an meinem Schritt und dem Klang meiner Absätze, wenn ich sie in ihrem Büro besuchen kam. Wir waren Verbündete, Kolleginnen und Freundinnen. Ich konnte gar nicht anders: Ich musste die Gelegenheit, mit ihr zusammenzuarbeiten, beim Schopf packen.
    Das war also der Grund. (Ach so, ja, außerdem hatte ich noch mit meinem Verlobten Schluss gemacht …)
    Ich war erst sechs Monate wieder auf Long Island und überrascht, wie lange ich brauchte, um mich einzuleben. Zehn Jahre hatte ich in einer kleinen Stadt im Südosten von Massachusetts (klein nach Long-Island-Maßstäben) gelebt. Fairhaven hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Northport meiner Jugendund frühen Erwachsenenjahre: terrassierte Wohnsiedlungen an Sackgassen, nahe gelegene Shoppingcenter und Einkaufsmeilen an Schnellstraßen (die sie in Massachusetts allerdings »Landstraßen« nennen), und weder weit von der Innenstadt noch vom Meer entfernt. Es kam mir irgendwie bekannt vor, und ich fühlte mich wohl. Ich hatte immer gedacht, Long Island wäre lebensbejahend. Vielleicht weil es meine Heimat war oder ein Abklatsch von Manhattan. Wie auch immer, die letzten zehn Jahre habe ich damit verbracht, in meinen wechselnden Unterkünften in Massachusetts über Long Island zu schwärmen. Ich habe über die Straßen geschrieben, die Strände, das Shoppen, über die Leute, die Akzente, die Sportteams, über die Hamptons, und ich weiß nicht, worüber noch alles. Aber jetzt, wo ich wieder hier war und tausend Dollar mehr an Miete für tausend Quadratmeter weniger Wohnfläche zahlte, konnte ich ums Verrecken nicht mehr ergründen, was an diesem Anhängsel vomBig Apple und seinen Möchtegern-Einwohnern so großartig sein sollte.
    Dennoch hatte ich den Job an der Uni in Brooklyn angenommen und eine Wohnung in East Meadow gemietet, rund fünfzehn Minuten von der Long-Island-Bahn. Pendeln war so teuer, dass es mich fast umbrachte. An manchen Tagen fuhr ich mit dem Auto bis nach Brooklyn, an anderen nur bis zum Bahnhof, um den Zug nach Queens zu nehmen und dort in die U-Bahn umzusteigen. Ich hatte vergessen, wie anspruchsvoll das Leben auf Long Island war. Steckt man eine anspruchsvolle Frau in eine anspruchslose Kleinstadt, macht sie natürlich den Eindruck, zu wissen, wo’s langgeht. Steckt man dieselbe Frau dann wieder in die Stadt, die sie überhaupt erst anspruchsvoll gemacht hat, dann hat man einfach nur eine weitere stressgeplagte New Yorkerin wie all die anderen vor
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