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Abschied in Dunkelblau

Abschied in Dunkelblau

Titel: Abschied in Dunkelblau
Autoren: John D. MacDonald
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Uno
    Es sollte ein ruhiger Abend zu Hause werden.
    Zu Hause, das ist die Busted Flush, ein achtzehn Meter langes, lastkahnartiges Hausboot, Liegeplatz F 18, Bahia Mar, Lauderdale.
    Zu Hause ist, wo man ungestört ist. Man zieht alle Vorhänge zu, macht die Luken dicht, und wenn das flüsterleise Summen der Klimaanlage die ganzen Geräusche der Außenwelt überlagert, ist man nicht mehr auf Tuchfühlung mit den verschiedentlichen Umtrieben an Bord des Nachbarbootes. Man könnte in einer Rakete auf der anderen Seite der Venus sitzen oder unter dem ewigen Eis.
    Weil es ein Raum auf einem Schiff ist, sage ich Lounge dazu, auch, weil er hauptsächlich zum Herumlungern da ist.
    Ich saß tief eingesunken in den Polstern der Eckcouch, studierte Seekarten der Keys und versuchte, genügend Begeisterung und Energie für den Plan aufzubringen, die Busted Flush eine Weile an einem anderen Platz festzumachen. Sie hat zwei Hercules Dieselmotoren, jeder 58 PS, die sie mit stattlichen sechs Knoten vorantuckern lassen. Ich wollte sie überhaupt nicht verlegen. Ich mag Lauderdale. Aber ich war schon so lange da, daß ich mich fragte, ob ich es nicht doch tun sollte.
    Chookie McCall arbeitete an der Choreographie für ein irres Ding. Sie war herübergekommen, weil ich Ruhe und genügend Platz hatte. Sie hatte die Möbel aus dem Weg geschoben, zwei Spiegel aus der Kapitänskajüte aufgestellt und ihr kleines, laut klapperndes Metronom. Sie trug ein altes, verblichenes, rostrotes Trikot, das an manchen Stellen mit schwarzem Faden ausgebessert worden war. Ihr schwarzes Haar hatte sie mit einem Schal gebändigt.
    Chookie arbeitete hart. Sie ging eine bestimmte Schrittfolge immer wieder durch, änderte sie jedesmal ein wenig ab, und wenn sie zufrieden war, ging sie schnell zum Tisch hinüber und machte auf ihrem Klemmbrett die entsprechenden Anmerkungen.
    Tänzer arbeiten genauso hart wie früher die Kumpel im Kohlebergbau. Sie stampfte und pustete und verbog ihren prächtigen und vollkommen proportionierten Körper. Trotz der Klimaanlage erfüllte sich die Lounge nach und nach mit dem schwachen, süßlich-scharfen Geruch eines großen, verschwitzten Mädchens. Chookie war eine angenehme Ablenkung. Die Lampen in der Lounge setzten Glanzlichter auf dem dünnen Schweißfilm, der ihre langen, runden Arme und Beine bedeckte.
    »Verdammt!« sagte sie und schaute stirnrunzelnd auf ihre Notizen.
    »Stimmt was nicht?«
    »Nichts, was ich nicht hinkriege. Ich muß genau ausrechnen, wo jeder einzelne stehen wird, oder sie treten sich gegenseitig ins Gesicht. Manchmal bringe ich etwas durcheinander.«
    Sie strich ein paar Notizen durch. Ich machte mich wieder daran, die Wassertiefe bei Ebbe zwischen den Dünen im Nordosten der Content Keys zu überprüfen. Sie arbeitete noch einmal zehn Minuten lang hart, machte ihre Notizen und lehnte sich dann schwer atmend an die Tischkante.
    »Trav, Schatz?«
    »Hmm?«
    »Hast du mich damals auf den Arm genommen, als wir über ... als wir darüber geredet haben, was du für deinen Lebensunterhalt tust?«
    »Was hab’ ich denn gesagt?«
    »Es hat ein bißchen merkwürdig geklungen, aber ich denke, ich habe dir geglaubt. Du hast gesagt, wenn X etwas Wertvolles hat und Y daherkommt und es ihm wegnimmt, und wenn es überhaupt keine Möglichkeit auf dieser Welt gibt, wie X das wieder zurückkriegen kann, dann kommst du ins Spiel und handelst mit X aus, daß du es zurückholst und die Hälfte davon behältst. Und dann ... lebst du einfach von dieser Hälfte, bis sie fast weg ist. Stimmt denn das wirklich?«
    »Das ist eine vereinfachte Darstellung, Chook, trifft die Sache aber ziemlich genau.«
    »Kriegst du da nicht einen Haufen Ärger?«
    »Manchmal ja, manchmal nein. Y befindet sich normalerweise nicht in der Position, viel Wirbel zu machen. Weil ich so eine Art letzte Hoffnung bin, beträgt mein Honorar fünfzig Prozent. Für X. ist die Hälfte immer noch eine Menge mehr als gar nichts.«
    »Und du hältst das alles mehr oder weniger unter der Decke.«
    »Geschäftskarten habe ich mir nicht gerade drucken lassen. Was sollte ich denn da draufschreiben? Travis McGee, Rückerstatter?«
    »Aber, Himmel noch mal, Trav, wieviel Aufträge dieser Art kannst du denn an Land ziehen, wenn dir das Geld so knapp wird, daß du einen brauchst?«
    »So viele, daß ich sie mir aussuchen kann. Wir leben in einer komplizierten Welt, meine Liebe. Je verzwickter unsere Gesellschaft wird, desto mehr halblegale Wege gibt es, um zu
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