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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben
Autoren: Petra Reategui
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Jacop zu.
    Â»Was war denn drin?«
    Â»Im Mantel? Karotten, eine Wurst. Egal.«
    Sie musterte ihn sichtlich amüsiert.
    Â»So egal scheint Euch das aber nicht zu sein. Und viel geblieben ist
Euch auch nicht«, feixte sie. »Immerhin eine Hose. Wenn auch keine, die ich
meinem ärgsten Feind verkaufen würde.«
    Jacop sah an sich herunter. Seine neue Freundin hatte nicht ganz
unrecht. Aber Hose und Mantel waren das Einzige, was er an Kleidungsstücken
besaß. Das heißt, besessen hatte. Er rieb sich die Augen und stocherte mit
einem Finger im linken Ohr, das noch vom Wasser brauste.
    Â»Habt Ihr sie eigentlich geglaubt?«, fragte er.
    Â»Was?«
    Â»Meine Geschichte.«
    Sie sah ihn unter halbgeschlossenen Lidern an und grinste spöttisch,
während ihre Hände das blaue Tuch durch und durch walkten.
    Â»Wenn Ihr nur halb so schlecht im Klauen wie im Lügen seid, rate ich
Euch, den Markt für die nächsten paar Jahrzehnte zu meiden.«
    Jacop zog geräuschvoll die Nase hoch.
    Â»Ich bin gar nicht so schlecht in diesen Dingen.«
    Â»Nein. Ihr geht dabei nur baden.«
    Â»Was wollt Ihr?« Er versuchte mehr schlecht als recht, sich den
Anschein von gekränkter Eitelkeit zu geben. »Jeder Beruf hat seine Risiken.
Außer vielleicht der des Färbers. Eine in höchstem Maße anregende Tätigkeit.
Blaue Farbe morgens, blaue Farbe mittags, blaue –«
    Ihr Zeigefinger spießte ihn fast auf.
    Â»Was du nicht sagst, du hohle Nuss! Ich sitze friedlich hier am
Wasser, und da kommt so ein abgebrochener roter Blitz wie du und will versteckt
sein. Zu allem Überfluss muss ich mich deinetwegen in ein überflüssiges Palaver
mit diesem Hahnrei einlassen, nur um schlussendlich festzustellen, dass der
eigentliche Lump gleich vor mir in der Bach liegt. Und das nennst du kein
Risiko?«
    Jacop schwieg, während seine Gedanken zu dem entgangenen Mittagessen
zurückwanderten.
    Â»Was ist?«, schnauzte sie ihn an. »Hat’s dir die Sprache
verschlagen? Hat dir die lange Zeit im Wasser Kiemen wachsen lassen?«
    Â»Ihr habt ja Recht! Was soll ich sagen?«
    Â»Wie wäre es zur Abwechslung mit Danke?«
    Jacop sprang in die Hocke und setzte seinen Hundeblick auf.
    Â»Ihr wollt ein Dankeschön?«
    Â»Das wäre ja wohl das Mindeste!«
    Â»Alsdann. Ich werde sehen, was sich tun lässt.«
    Zu ihrer Verwunderung begann er in den unergründlichen Weiten seiner
Hose zu kramen, krempelte unter Murmeln und Flüchen das Innerste nach außen und
das Zuvorderste nach hinten, bis ein Leuchten über seine Züge ging. Er zog
etwas hervor und hielt es ihr triumphierend unter die Nase.
    Â»Sie ist noch da!«
    Die Färberin runzelte die Stirn und nahm das Ding in Augenschein.
Ein löcheriges Stöckchen von der Länge ihres Zeigefingers.
    Â»Na und? Was soll das sein?«
    Â»Passt auf.«
    Er setzte das Stöckchen an die Lippen und blies hinein. Eine helle,
wunderliche kleine Melodie erklang.
    Â»Eine Flöte!«, rief sie entzückt.
    Â»Ja.« Schnell ließ er den Hundeblick fahren. Die Zeit schien
gekommen für den Augenaufschlag des unwiderstehlichen Halunken. »Und ich
schwöre beim Erzengel Gabriel, dass ich dieses Lied soeben einzig und allein
für Euch erdacht und niemals einer anderen vorgespielt habe oder jemals
vorspielen werde, oder der heilige Petrus soll mir die Geister der Löwen aus
dem Circus Maximus auf den Buckel schicken.«
    Â»Was Ihr alles wisst! Im Übrigen glaube ich Euch kein Wort.«
    Â»Wie dumm. Also muss ich noch mehr des Guten tun.« Jacop warf das
Stöckchen in die Luft und fing es mit der Rechten auf. Als seine Finger
auseinanderfuhren, war die Flöte verschwunden.
    Ihre Augen wurden zunehmend größer, bis Jacop fürchtete, sie würden
aus den Höhlen kullern.
    Â»Wie habt Ihr –?«
    Â»Und nun gebt Acht.«
    Rasch griff er hinter ihr Ohr, hexte die Flöte hervor, nahm ihre
Linke aus dem Wasser und legte das winzige Instrument in ihre Handfläche.
    Â»Für Euch«, strahlte er.
    Sie errötete, schüttelte den Kopf und lachte leise. Jacop stellte
fest, dass er ihr Lachen mochte. Er strahlte noch mehr.
    Sie betrachtete eine Weile ihr Geschenk, dann fixierte sie ihn
nachdenklich und krauste die Nase.
    Â»Seid Ihr wirklich so ein Erzverbrecher?«
    Â»Aber gewiss! Ich habe Dutzende von Männern erdrosselt, und das nur
mit
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