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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben
Autoren: Petra Reategui
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ins Gesicht. Die Umstehenden begannen zu kreischen, Finger
krallten sich in seinen alten Mantel, zerrten ihm die Kapuze weg. Sein Haar
loderte in der Sonne auf. Er trat um sich, aber sie ließen ihn nicht entkommen,
während der Fleischer mit einem Wutschrei über die Theke setzte.
    Jacop sah sich ohne Hand, und das gefiel ihm nicht.
    Mit aller Kraft riss er die Arme hoch und vollführte einen Satz in
die Menge. Verblüfft stellte er fest, dass es leichter ging, als er dachte.
Dann wurde ihm bewusst, dass er geradewegs aus seinem Mantel gesprungen war,
den sie jetzt zerfetzten, als sei das jämmerliche Kleidungsstück der
eigentliche Übeltäter. Er schlug um sich, bekam Luft und rannte über den Platz
Richtung Malzbüchel. Zurück konnte er nicht. Der Fleischer war immer noch
hinter ihm, und nicht nur der. Den Geräuschen der trappelnden Füße und den
aufgebrachten Stimmen nach zu urteilen, hatte er das halbe Forum auf den
Fersen, und alle schienen seine Hand dem Scharfrichter überantworten zu wollen.
Was eindeutig nicht in Jacops Interesse lag.
    Er schlitterte durch matschige Furchen und Geröll über den
Malzbüchel und entging nur knapp den Hufen eines scheuenden Gauls. Weitere
Leute drehten sich nach ihm um, angezogen von dem Schauspiel.
    Â»Er ist ein Dieb!«, brüllten die anderen.
    Â»Was? Wer?«
    Â»Der mit den roten Haaren. Der Fuss!«
    Und schon erhielt die Meute Verstärkung. Sie kamen aus der
Rheingasse, der Plectrudis- und der Königstraße, selbst die Kirchgänger
schienen aus St. Maria im Kapitol zu strömen, um ihn in Stücke zu reißen oder
mindestens zu vierteilen.
    Allmählich bekam er es tatsächlich mit der Angst zu tun. Der einzig
offene Fluchtweg, durch die Malzmühlengasse unter der Kornpforte durch zur
Bach, war blockiert. Jemand hatte ein Fuhrwerk dermaßen dämlich über den Weg
gestellt, dass niemand dran vorbeikam.
    Aber vielleicht drunter durch.
    Jacop ließ sich im Lauf fallen, rollte sich unter der Deichsel
hindurch auf die andere Seite, kam wieder auf die Beine und hastete rechts hoch
auf die Bach. Der Fleischer versuchte, es ihm gleichzutun, aber da er dreimal
so dick war wie Jacop, blieb er stecken und musste von den anderen unter
Gezeter und Mordioschreien wieder hervorgezerrt werden. Die Bluthunde verloren
wertvolle Sekunden.
    Schließlich kletterten drei von ihnen beherzt über den Kutschbock
und hefteten sich Jacop wieder auf die Spur.
    Auf der Bach
    Aber Jacop war verschwunden.
    Nachdem sie einige Male hin- und hergelaufen waren, gaben die
Verfolger auf. Obgleich sich der Verkehr die Bach hinauf in Grenzen hielt und
nur wenige Färber um die Mittagszeit draußen arbeiteten, hatten sie ihn
verloren. Sie schauten links in den Filzengraben, aber auch da war niemand zu
sehen, den man hätte festnehmen können.
    Â»Rote Haare«, murmelte einer der drei.
    Â»Wie meint Ihr?«, fragte ein anderer.
    Â»Rote Haare, verdammich! Er kann uns nicht entwischt sein! Wir
hätten ihn sehen müssen.«
    Â»Der Karren hat uns aufgehalten«, sagte der Dritte beschwichtigend.
»Gehen wir. Soll er am Jüngsten Tage sehen, was er davon hat.«
    Â»Nein!« Der erste Sprecher hatte sich einen Ärmel zerrissen, als er
über den Wagen gesprungen war. Seine Augen sprühten vor Zorn. »Jemand muss ihn
gesehen haben.«
    Er stapfte die Bach hinauf, von seinen Begleitern widerwillig
gefolgt. Die Straße entsprach dem Verlauf des Duffesbachs entlang der alten
Römermauer. Hier waren sie im Viertel Oursburg. Sie fragten verschiedene
Bürger, bis sie den Waidmarkt erreichten. Niemand wollte den Rotschopf gesehen
haben.
    Â»Lassen wir’s«, sagte einer. »Mir jedenfalls ist nichts gestohlen
worden.«
    Â»Nie und nimmer!« Der mit dem zerrissenen Wams sah sich wild um.
Sein Blick fiel auf eine junge Frau, die am Bach kniete und ein riesiges, blau
gefärbtes Tuch darin wässerte. Sie war auf seltsame Weise hübsch, mit einer
leicht schiefen Nase und aufgeworfenen Lippen. Er stellte sich vor sie hin,
ließ die Brust schwellen und trompetete:
    Â»Wir suchen einen Dieb, der ungeheuren Schaden angerichtet hat.«
    Sie sah zu ihm hoch, nicht sonderlich interessiert, und widmete sich
wortlos wieder ihrem Tuch.
    Â»Wollt Ihr uns behilflich sein«, donnerte er, »oder müssen wir Euch
mit dem Gefühl verlassen, dass man hier den Taugenichtsen Schutz
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