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Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)

Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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mir her auf die seitliche Veranda, die so eingerichtet und angelegt war, dass sie wie die Essecke in einem einfachen Bürgerhaus vor etwa sechzig Jahren aussah. Die Wände bestanden aus schmalen, ungestrichenen Brettern, die Stützpfosten des Überdachs aus blankem, gedrechseltem Holz mit knorrigen Astlöchern; der lange Holztisch war mit einem karierten Tuch gedeckt; ein alter Eisschrank mit Eichentüren und Messinggriffen stand in der Ecke; ein breiter Ventilator drehte sich träge an der Decke. Ich stand am offenen Fenster und schaute zu Wilbur Pickett, der einen zurechtgehobelten und unten angespitzten Zaunpfosten in ein ausgehobenes Loch setzte.
    »Letztes Jahr habe ich eine halbe Häuserzeile im Zentrum von Houston geerbt«, sagte Earl, ein Glas Eistee in der Hand, lächelnd zu mir. Er war ein gut aussehender Mann, locker und leger, in Kordhose und einem weichen orangeroten Hemd, das feine braune Haar wie ein kleiner Junge quer über die Stirn gekämmt. Earl wirkte auf Anhieb gar nicht mal unangenehm, aber er redete immer nur von sich, seinen Besitztümern oder den Angeltouren, die er unternahm, wenn er in Idaho oder am St.-Lorenz-Strom auf Lachsforellen ging. Ansonsten interessierte ihn allem Anschein nach nichts und niemand.
    »Aber es ist der reinste Alptraum«, fuhr er fort. »Eine eingegangene Sparkasse hat den Bau gemietet. Die Regierung hat die Sparkassenniederlassung beschlagnahmt, und ich kann mit der Immobilie nichts anfangen. Die Regierung zahlt keine Miete für beschlagnahmte Liegenschaften, aber ich habe ein paar hunderttausend Dollar Haus- und Grundsteuern am Hals. Ist das zu fassen?«
    »Habe ich damit irgendwas zu tun?«, fragte ich.
    »Womöglich.«
    »Kein Interesse.«
    Er zwinkerte und kniff mir mit zwei Fingern in den Unterarm. »Gehen wir was essen«, sagte er.
    Dann sah er meinen Blick und schaute hinaus auf die Pferdekoppel, wo Wilbur am Werk war.
    »Kennen Sie Wilbur?«, sagte er.
    »Ich habe mal Pferde von ihm gekauft.«
    »Dann wollen wir ihn einladen.«
    »Das ist nicht nötig, Earl«, sagte ich.
    »Ich mag ihn.« Versonnen senkte er den Kopf. »Manchmal möchte ich am liebsten mit jemandem wie ihm tauschen«, sagte er.
    Bald darauf sollte ich einmal mehr erfahren, wie grausam die wenigen so genannten Superreichen, die ich kannte, mitunter sein konnten. Selten mit Vorsatz, aber im Grunde umso verletzender, weil es beiläufig geschah, ohne Hintergedanken, weil man dem Betroffenen dadurch zu verstehen gab, wie unwichtig er eigentlich war.
    Ein älterer Schwarzer, John hieß er, ging hinaus auf die Pferdekoppel, um Wilbur zu holen, der einen Moment lang unsicher zum Haus blickte, sich dann mit einem Gartenschlauch Hände, Unterarme und Gesicht wusch und durch die Küche hereinkam. Das Hemd klebte ihm an der Brust, und die verbrannte Haut an seinem Nacken schälte sich, als er sich einen der gepolsterten Redwood-Stühle an den Tisch zog und höflich nickte, während er vorgestellt wurde.
    »Bitte mein Aussehen zu entschuldigen«, sagte er.
    »Das macht doch nichts. Greifen Sie zu«, sagte Earl.
    »Sieht mächtig gut aus, muss ich schon sagen«, sagte Wilbur.
    Aber Earl hörte schon nicht mehr zu. »Ich will euch mal ein echt historisches Stück zeigen«, sagte er zu den anderen und öffnete ein blaues Samtetui, in dem eine große, in ein Messinggehäuse gefasste Taschenuhr mit einer schweren Gliederkette lag. »Die hat man im Jahr 1836, nach der Schlacht am San Jacinto, einem mexikanischen Gefangenen abgenommen. Angeblich hat er sie von einem toten Texaner im Alamo erbeutet. Ich habe das Gefühl, dass er sich gewünscht hat, er hätte sie an dem Tag zu Hause gelassen.«
    Die Männer am Tisch lachten.
    Earl klappte das auf beiden Seiten mit einem Scharnier versehene Gehäuse der Uhr auf und hielt sie an der Kette hoch. Die Uhr drehte sich im Kreis wie ein verletzter Schmetterling, und ein ölig trüber Lichtschein huschte über das vergilbte Zifferblatt mit den römischen Zahlen.
    »Die stammt aus dem Alamo?«, sagte Wilbur.
    »Schon mal so eine gesehen?«, fragte Earl.
    »Nein, Sir. Aber einer meiner Vorfahren soll angeblich am San Jacinto gekämpft haben. Das ist der gute Teil von der Geschichte. Der schlechte ist, dass die Familie sagt, er hat Pferde gestohlen und sie an beide Seiten verkauft«, sägte Wilbur.
    Aber niemand lachte, und Wilbur zwinkerte kurz und schaute die Wand an.
    »John, könnten Sie für jeden ein zweites Glas bringen, damit wir uns einen Wein genehmigen können?«,
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