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Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)

Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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durcheinander, dass sie keine Anzeige erstatten können. Ich will Ihnen damit sagen, gringita , dass es da draußen eine Menge Jungs gibt, die außer sich vor Schiss und Schuldgefühlen sind und sich das Bankkonto abräumen lassen. Das sollte es doch wert sein, dass man die Anklage gegen mich fallen lässt und mir noch ein bisschen was draufgibt, damit ich meine Familie in Guadalajara besuchen kann.‹
    Ich sage: ›Sie hätten sich lediglich bei der Verhandlung blicken lassen müssen. Dann wären Sie jetzt fein raus.‹
    Sagt er: ›Ich hab ’ne schlimme Nacht gehabt. Bin erst spät eingeschlafen. Außerdem hab ich beim letzten Kartenspiel nix von der Beute abgekriegt. Diese Jungs gehören eingelochte.‹«
    Als ich nichts erwiderte, fischte Temple ein zusammengeknülltes Blatt Papier aus dem Abfallkorb und warf es mir auf den Rücken.
    »Hörst du überhaupt zu?«, sagte sie.
    »Aber ja.«
    »Folgendermaßen läuft die Sache«, sagte sie. »Sie nehmen den Macker zu einem Kartenspiel in einer Jagd- oder Angelhütte irgendwo im Hügelland mit. Der Macker gewinnt zwei, drei Abende hintereinander und kommt sich allmählich vor, als ob er dazugehört. Er weiß sogar, wo die Hausbank ist. Dann platzen drei Jungs mit Nylonstrumpfmasken über dem Gesicht mitten in das Spiel. Einer von den Maskierten ist natürlich der Handlanger des Drahtziehers, unser Cholo Ramirez.
    Sie bringen einen Mitspieler nach dem andern in den Keller, foltern und exekutieren sie. Der reiche Macker glaubt, er ist der Einzige, der noch lebt. Inzwischen ist er außer sich vor Angst. Er verrät den drei Jungs, wo die Bank ist. Sie räumen sie aus und sagen ihm, dass im Keller noch jemand am Leben ist, und zwar ein Typ, der beim Spiel anständig zu ihm gewesen ist. Sie führen den Mann die Treppe runter, wo er mit einer Neunmillimeter einen Schuss auf die am Boden liegende Gestalt abgeben muss. Damit ist der Mann ein Komplize und kann niemandem erzählen, was er erlebt hat.
    Ein, zwei Wochen vergehen, und der Mann denkt, die Sache ist ausgestanden, und niemand wird je erfahren, was er gemacht hat. Aber dann kriegt er einen Anruf von einer Schmalztolle, die ihm klarmacht, dass er das Geld vom Mob hergegeben hat und einen Scheck über die ganze Summe ausstellen soll, andernfalls wird er mit den Füßen voran in einen Holzhäcksler gesteckt.
    Cholo Ramirez sagt, sie haben mal einem Typen vierhundert Riesen abgeknöpft und ihn in den Bankrott getrieben.«
    »Die Knarre war mit Platzpatronen geladen. Die stecken alle unter einer Decke«, sagte ich.
    »Mann, du hast ja die ganze Zeit zugehört«, sagte sie.
    Ich schaute auf die Wipfel der Eichen, die sich hoch über dem Rasen am Rathausplatz im Wind wiegten. Auf der Uhr am Turm des Gerichtsgebäudes war es neun Minuten vor neun.
    »Ich hab dir das nur deshalb erzählt, weil die Geschichte nie ans Tageslicht kommen wird. Der Junge, den Cholo niedergestochen hat, hat die Anzeige zurückgezogen, und Cholo ist wieder mal fein raus«, sagte Temple. »Übernimmst du Wilbur Picketts Verteidigung?«
    »Ich glaube, ich sollte mich da lieber raushalten.« Sie schwieg, aber ich spürte ihre Blicke in meinem Nacken.
    Punkt neun Uhr ging ich die Treppe hinunter, trat aus dem kühlen Gebäude hinaus in die Sonne, hielt mich dann im Schatten und lief den Bürgersteig entlang, vorbei an den eisernen Bänken und dem Geschütz aus dem spanisch-amerikanischen Krieg, das auf dem Rasen vor dem Gerichtsgebäude stand. Der Holzboden im Gerichtsgebäude schimmerte matt im Zwielicht, die Milchglasfenster der angrenzenden Büros glitzerten wie verkrustetes Salz. Ich ging zum Aufzug im rückwärtigen Teil, fuhr zum Gefängnis hinauf und trat in den von Steinwänden und Eisenstäben gesäumten Korridor, durch den der Wind zog, weil die Fenster hinten und vorne offen standen.
    Wilbur Pickett lag auf einer eisernen Pritsche in einer vergitterten Arrestzelle. Er hatte sein Hemd zu einem Kopfkissen zusammengerollt und den unförmigen Stetson über die Stiefelspitze gehängt wie über einen Garderobenständer. Schwarze Schriftzeichen waren mit Feuerzeugen in die Decke gebrannt. Der Gefängniswärter gab mir einen Stuhl mit und schloss hinter mir die Tür ab.
    »Ich hab seine Uhr genommen, aber die Wertpapiere hab ich nicht geklaut«, sagte Wilbur.
    »Was hast du mit der Uhr gemacht?«
    »Die hab ich in den Briefkasten vom Heimatmuseum geschmissen«, sagte er.
    »Na großartig.«
    »Ich geb zu, dass ich mich schon schlauer angestellt hab.«
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