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Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)

Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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Er setzte sich auf, warf seinen Hut in die Luft und fing ihn an der Krempe wieder auf. »Ich fahr doch deswegen nicht ein, oder was?«
    »Ich kann dich nicht vertreten.«
    Er nickte und schaute zu Boden, strich dann mit dem Hut über seinen Stiefel.
    »Du willst dich wohl nicht gegen Deitrichs Frau stellen?«, sagte er.
    »Wie bitte?«
    »Ihr Freund ist in Vietnam gefallen. Danach hat sie allerhand Jungs durchgezogen, bis Earl gekommen ist. In einer Kleinstadt gibt’s keine Geheimnisse.«
    Ich spürte, wie mir das Blut zu Kopfe stieg. Ich stand auf und ging ans Fenster, schaute auf das alte Rialto-Kino auf der anderen Seite des Platzes.
    »Du weißt ja anscheinend über alles Bescheid. Bloß nicht, dass man die Finger vom Eigentum anderer Leute lässt«, sagte ich und bereute meine Worte sofort.
    »Vielleicht bin ich ja nicht der Einzige, der schon mal dran gedacht hat, seine Finger irgendwo reinzustecken, wo sie nix verloren haben«, sagte er.
    »Viel Glück, Wilbur«, sagte ich und rief den Wärter, damit er mich rausließ.
    Nachdem der Wärter die Tür wieder hinter mir abgesperrt hatte, erhob sich Wilbur von der Pritsche und trat ans Gitter. Er zog ein zusammengefaltetes und zerknittertes Notizblatt mit Linien aus der Gesäßtasche seiner Khakihose und reichte es mir zwischen den Eisenstäben hindurch.
    »Gib das meiner Frau, ja? Wir haben kein Telefon. Sie weiß nicht, wo ich bin«, sagte er.
    »Okay, Wilbur.«
    »Du kennst sie nicht, was?«
    »Nein.«
    »Du musst es ihr vorlesen. Sie ist von Geburt an blind.«
    Als ich wieder in meine Kanzlei kam, sagte mir Kate, meine Sekretärin, dass ein Mann in mein Büro gegangen sei und sich vor meinem Schreibtisch hingesetzt habe, sich aber weigere, seinen Namen zu nennen oder zu gehen.
    »Soll ich drüben auf der anderen Straßenseite anrufen?«, sagte sie.
    »Ist schon gut«, sagte ich und ging in mein Büro.
    Der Kopf meines Besuchers war kahl und geädert wie Marmor, sein Seersucker-Anzug spannte sich eng um den kräftigen Leib. Er saß leicht vornübergebeugt auf dem Stuhl und hielt den Panamahut, den er auf dem Knie liegen hatte, fest umklammert, als wollte er im nächsten Moment hinter einem Bus herlaufen. Als er sich zu mir umwandte, wobei er den Fuß zu Hilfe nahm und mühsam den Drehstuhl herumschwenkte, wurde mir klar, dass er einen steifen Hals hatte und den ganzen Oberkörper bewegen musste, wenn er zur Seite oder nach hinten schauen wollte.
    »Skyler Doolittle ist mein Name, nicht verwandt mit dem Flieger. Ich bin Vertreter für Bibeln, Lexika und Bürsten gewesen. Aber ich will Ihnen nichts vormachen. Ich habe auch im Gefängnis gesessen, Sir«, sagte er und ergriff meine Hand.
    Seine grauen, fast farblosen Augen wirkten leicht verstört, so als leide er gerade unter einer Hitzewallung. Er hatte die Mundwinkel nach hinten gezogen, entweder aus Verlegenheit oder weil er aus Gewohnheit lächelte.
    »Was kann ich für Sie tun, Mr. Doolittle?«, sagte ich.
    »Ich hab heut früh in der Zeitung von San Antonio ein Bild von diesem Deitrich gesehen. Das ist der Kerl, der mir bei einem Bouree-Spiel meine Uhr abgegaunert hat. Ich habe bislang nicht gewusst, wie er heißt. Ich will mein Eigentum wiederhaben«, sagte er.
    »Warum kommen Sie damit zu mir?«
    »Ich habe drüben im Gefängnis angerufen. Dort hat man mir gesagt, dass Sie der Anwalt von dem Mann sind, der sie gestohlen hat.«
    »Da hat man Ihnen was Falsches gesagt.«
    Er schaute sich im Zimmer um wie eine Eule, die auf einem Ast sitzt.
    »Dieser Deitrich hatte einen Trumpf unter dem Oberschenkel versteckt. Aber das hab ich erst später rausgefunden. Die Uhr hat meinem Ur-Urgroßvater gehört. Seinen Namen finden Sie auf der Bronzetafel am Alamo«, sagte er.
    »Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen, Mr. Doolittle.«
    »Recht ist das nicht. Das Gesetz straft die Armen. Die Reichen haben nichts zu befürchten.«
    »Da kann ich Ihnen nicht widersprechen.«
    Ich wartete darauf, dass er ging. Tat er aber nicht.
    »Weshalb sind Sie im Gefängnis gewesen, Mr. Doolittle?«, sagte ich.
    »Ich habe Geld von meinem Arbeitgeber gestohlen. Aber ich habe keine Kirche niedergebrannt. Wenn ich sowas Schlimmes gemacht hätte, müsste ich doch immer dran denken.«
    »Aha. Wollen Sie mich nicht zu meinem Auto begleiten? Ich muss etwas erledigen.«
    »Aber gern. Sie machen einen ganz netten Eindruck, Mr. Holland.«
    Wilbur Pickett wohnte in einem kleinen, aus rohen Baumstämmen errichteten Haus draußen in der Einöde.
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