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Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)

Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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    Man könnte einfach sagen, dass wir Earl Deitrich ablehnten, weil er reich war. In einem gewissen Maß stimmte das vielleicht sogar. Er war in River Oaks aufgewachsen, in Houston, in einem riesigen, von Schatten spendenden Bäumen umgebenen weißen Herrenhaus, das oben auf einer Anhöhe stand. Durch seine Ausmaße und die abgeschiedene Lage stellte es selbst in dieser Gegend, in der die wenigen Nachbarn über geradezu sagenhafte Vermögen verfügten, etwas Besonderes dar. Doch es lag nicht nur an seinem Geld, dass wir uns so schwer mit ihm taten.
    Er war Offizier bei der Army und kam im Urlaub nach Deaf Smith, einer Stadt im Bergland von Texas, wo die kleinen Leute an den Bohrtürmen malochten oder in Kneipen bedienten, und die Neureichen im Country Club hockten und auf Zahnstochern kauten. Er benutzte seinen Reichtum wie einen Spiegel, mit dem er uns unsere Unzulänglichkeit vor Augen führte, nahm Peggy Jean Murphy von uns fort und brachte sie als seine Ehefrau und sein Eigentum zurück, fast so, als wäre sie ein Ausstellungsstück.
    Peggy Jean Murphy, die herzergreifend schön war, die uns im Traum erschien, die allseits so geachtet wurde, dass sich nicht einmal die rüdesten Jungs aus dem West End einen losen Spruch über sie zu machen trauten, weil sie sonst von ihresgleichen windelweich geprügelt worden wären.
    Earl Deitrich machte uns klar, dass all die Schwärmereien, denen wir uns hingaben, wenn wir sie bei Schulfesten auf den Tanzboden führten und uns vorstellten, sie zu heiraten, seit jeher nichts als eitle Hirngespinste von Arbeiterkindern waren, die niemals auch nur den Hauch einer Chance gehabt hatten. Vielleicht hatte nicht mal der Quarterback, in den sie auf der Highschool verliebt gewesen war, bevor er eingezogen worden und am Mekong getötet worden war, eine Chance gehabt.
    Aber das war lange her. Ich versuchte, so gut es ging, nicht mehr an Peggy Jean zu denken. Sie und Earl verbrachten den Großteil des Jahres in Montana, sodass ich keine Gelegenheit hatte, sie zu sehen, beziehungsweise die Entscheidungen zu bedauern, die dazu geführt hatten, dass ich Polizeidienst an der Grenze tat und die monatelangen, nirgendwo verzeichneten und offiziell stets dementierten nächtlichen Vorstöße nach Coahuila machte, wo den Toten eine mit dem Emblem der Texas Rangers bedruckte Spielkarte in den Mund gesteckt wurde.
    Aber sosehr ich es auch versuchen mochte, würde ich doch niemals den Frühlingsnachmittag vergessen, an dem Peggy Jean von meinem Pferd stieg und mit mir in ein Wäldchen über dem Fluss ging, wo ich in ihrem Schoß meine Unschuld verlieren durfte.
    Als ich mich von ihrem heißen Leib löste, starrte sie mit hellblauen Augen blicklos zu den Wolken über den Wipfeln der Kiefern auf. Ich wollte, dass sie irgendetwas sagte, aber sie tat es nicht.
    »Ich glaube, ich hab noch nicht allzu viel Erfahrung mit so was«, sagte ich.
    Sie strich mir mit der Hand über den Arm und ergriff meine Finger. Grashalme klebten an ihrer Schulter und an den Brüsten.
    »Du warst prima, Billy Bob«, sagte sie.
    Da wusste ich, dass sie nicht mit mir geschlafen hatte, sondern mit einem Soldaten, der in Vietnam gefallen war.
    »Hast du Lust, heute Abend mit mir ins Kino zu gehen?«, fragte ich.
    »Morgen vielleicht«, erwiderte sie.
    »Ich mag dich sehr. Ich weiß, dass es manchmal lange dauert, wenn man jemanden verliert ...«
    »Wir sollten uns jetzt lieber auf den Heimweg machen. Morgen gehen wir ins Kino. Ich versprech’s dir«, sagte sie.
    Aber gegen Geister kommt man nur schwer an. In unserer Stadt jedenfalls schaffte das niemand, bis Earl Deitrich eintraf.
    Das Haus von Earl und Peggy Jean hatte angeblich zwölf Millionen Dollar gekostet. Es war drei Stockwerke hoch, nach innen gewölbt und in einen ausgeschachteten Hang gebaut, an dem man mit Tonnen von Feldsteinplatten einen terrassenförmigen Hof angelegt hatte. Garagentorgroße Fenster, gerahmt von weiß gestrichenen Stahlträgern, zogen sich über die ganze Vorderseite. Geschälte und hell gefirnisste Ponderosa-Kiefernstämme, jeder gut dreißig Meter lang und schräg im Boden verankert, stützten das Dach, sodass das Haus von weitem aussah wie ein gigantischer goldener Zahn, der sich in die Hügel schmiegte.
    Es war an einem Donnerstag im Frühling, als ich mit meinem Avalon zum Mittagessen zu ihnen hinausfuhr. Ich hatte mich in Earls Gegenwart noch nie besonders wohl gefühlt, obwohl ich mich darum bemühte, ihn zu mögen, aber sie hatte im
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