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Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)

Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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Fadenscheinige Vorhänge bauschten sich in den Fenstern, und die Veranda stand voller Blechbüchsen, die mit Zinnien bepflanzt waren. Es war ein dürrer Landstrich, in dem kein Baum wuchs, und wenn im Sommer die Buschbrände zu den Schwarzeichen auf den umliegenden Hügeln hochzüngelten, verdunkelten Aschewolken die Sonne. Doch Wilbur hatte ein Windrad gebaut, mit dem er die Weide für seinen Appaloosa und die beiden Palominos bewässerte, Mimosen waren neben der Scheune mit den drei Pferdeboxen angepflanzt, er zog da draußen Gemüse und hielt hinter dem Haus Hühner.
    Ich hatte gehört, dass Wilbur eine Indianerin aus dem Reservat der Nord-Cheyenne in Montana geheiratet hatte, aber ich hatte sie nie persönlich kennen gelernt. In Jeans, braunen Sandalen und einem Baumwollhemd, dessen Brusttaschen mit kleinen Blumen bestickt waren, kam sie an die Tür. Sie hatte ein schmales Gesicht, eine flache Nase, die Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, der über die eine Schulter hing. Aber es waren vor allem die Augen, die einen in ihren Bann schlugen. Sie waren tintenblau, ohne Pupillen und mit milchigen Flecken gesprenkelt.
    Ich teilte ihr mit, dass Wilbur im Gefängnis saß und vorerst nicht nach Hause kommen werde, bis die Kautionssumme festgesetzt sei. Dann stand ich mitten im Wohnzimmer und las ihr seinen Brief vor.
    »›Liebe Kippy Jo, Earl Deitrich ist ein elender Lügner, denn ich habe keine Wertpapiere aus seinem Safe genommen. Bitte Mrs. Titus darum, dass sie dich zum IGA fährt, wenn du Lebensmittel brauchst. Lass die Sachen anschreiben, wenn’s geht, aber wenn’s nicht geht, ist unter dem Auslegepapier in meiner Sockenschublade ein Hundertdollarschein. Reg dich wegen so einer Kleinigkeit nicht unnötig auf. Ich habe mein Lebtag lang hier gewohnt. Die Leute kennen mich, die glauben jemandem wie Earl Deitrich nicht.
    Heb sämtliche Post gut auf. Könnte jederzeit sein, dass sich was mit dem Pipeline-Deal in Venezuela tut. Oder mit der Goldsache oben in B.C., was genauso gut ist, obwohl viel kälter. Wir zwei schaffen es schon, mein Schatz. So wahr ich Wilbur T. Pickett heiße.
    Wenn die Sache hier ausgestanden ist, nehm ich mir Earl Deitrich vor und stoß ihm Bescheid.
    Dein Ehemann Wilbur.‹«
    »Sind Sie sein Anwalt?«, fragte sie.
    »Nein, Ma’am. Ich fürchte, nein«, erwiderte ich.
    Sie wirkte einen Moment lang in sich gekehrt, so als sinne sie über einen Gedanken nach oder eine Frage, die ihr durch den Kopf ging.
    »Ich bring Ihnen einen Kaffee. Er ist schon fertig«, sagte sie.
    Ehe ich etwas erwidern konnte, ging sie in die Küche, nahm mit einem Topflappen die blau-weiß gesprenkelte Kaffeekanne vom Herd, fasste mit der Fingerkuppe um den Rand einer Tasse und goss mir ein. Sie ging zu einem Küchenschrank und brachte eine Zuckerschale samt Löffel zum Tisch, setzte sich zu mir und blickte mich an, als ob sie etwas sehen könnte.
    »Dieser Deitrich, der ist mehrfacher Millionär. Wieso tut der Wilbur so was an?«, sagte sie.
    »Er sagt, Wilbur hat ihm Wertpapiere gestohlen«, erwiderte ich.
    »Wenn Sie ein Freund von meinem Mann sind, wissen Sie ganz genau, dass er so was nicht getan hat.«
    »Er hätte die Uhr liegen lassen sollen.«
    Ihre Miene wurde finsterer, und sie schaute mich mit ihren blicklosen Augen unverwandt an, als ob sie in Gedanken einen Eindruck aus der Außenwelt in ein Bild von mir umsetzte, das sie mustern konnte, ein Bild, das ihr zu schaffen machte. Unwillkürlich wischte ich mir die Hand am Hosenbein ab.
    »Geld verdirbt die besten Menschen. Was das angeht, wundert mich überhaupt nichts mehr. Ich beziehe mich damit nicht unbedingt auf Ihren Mann«, sagte ich. Draußen pumpte das Windrad weiterhin Wasser in einen Wellblechtank, der längst überlief.
    Die Fliegendrahttür schlug im Wind. Sie drehte sich nach dem Geräusch um, wandte sich dann wieder an mich. »Wie viel kostet ein Anwalt?«, fragte sie.
    »In so einem Fall vermutlich ein paar tausend Dollar. Manchmal kann man sich freikaufen.«
    Sie nickte erneut. »Mrs. Titus«, sagte sie dann, »die Nachbarin, die er in dem Brief erwähnt hat, ist krank. Könnten Sie mich vielleicht bei dem IGA absetzen? Dort find ich schon jemanden, der mich zurückfährt.«
    »Habt ihr hier in der Gegend keine Angehörigen?«
    »Seine Mutter war die letzte. Sie ist vor zwei Monaten gestorben.«
    Ich hörte die Pferde draußen auf der Weide wiehern, hörte, wie das Windrad in der Brise beidrehte, wie die Flügel wirbelten.
    »Wissen Sie
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