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Das Geheimnis der Rose

Das Geheimnis der Rose

Titel: Das Geheimnis der Rose
Autoren: Lisa Kleypas
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Prolog
    Warwickshire, 1824
    Die Musik zur Feier des ersten Mai erfüllte die Luft und wehte vom Dorf zu dem honigfarbenen Schloss am See hinüber. Einer der Schlossbewohner, Lord Damon Savage, Marquis von Savage, ging über die Straße zum Dorf. Er konnte nicht anders, er wurde von der Musik angelockt.
    Er war kein leichtfertiger Mann und nahm auch nicht gern an großen Veranstaltungen teil. Die vergangenen Jahre seines Lebens hatte Damon dem Wiederaufbau des Familienvermögens gewidmet und sich außerdem um seinen jüngeren Bruder und den kränklichen Vater gekümmert. Die Verantwortung, die er übernommen hatte, ließ ihm keine Zeit für Vergnügungen. Eine Mischung aus Neugier und Einsamkeit so wie dem Bedürfnis, draußen zu sein, zog ihn jetzt zu, dem Dorf.
    Mädchen in weißen Kleidern wirkten im mauvefarbenen Licht des Sonnenuntergangs wie vergoldet, während sie um einen Baum tanzten, der mit Bändern und Girlanden geschmückt war. Lachend, trinkend und singend waren die Dorfbewohner zusammengekommen, um das heidnische Fest zum ersten Mai zu begehen, das die ganze Nacht hindurch dauern würde.
    Damon stand unauffällig am Rand der Menge, während es dunkler wurde. Fackeln und Lampen wurden angezündet und warfen flackernde Schatten auf das Gras. Obwohl Damon die Rituale zum ersten Mai schon viele Male gesehen hatte, war er doch immer wieder begeistert vom malerischen Anblick der Mädchen, die lange Bänder um den Maibaum wanden. Anmutig hüpften sie im Kreis, die Haare mit Blumenreifen geschmückt, und die weißen Röcke bauschten sich um die bestrumpften Beine.
    Wie die anderen anwesenden Männer bemerkte auch Damon die besonders hübschen Mädchen. Es war lange her, seit er das letzte Mal eine Frau gehabt hatte. Später, hatte er sich versprochen, später würde er sich eine Geliebte nehmen und die Lust genießen, der er abgeschworen hatte, aber jetzt gab es einfach zu viel zu tun. Wenn er doch nur das lästige Bedürfnis nach der Berührung einer Frau, nach dem zarten Duft weiblicher Haut und dem Gefühl schlanker Arme, die sich um ihn schlangen, loswerden könnte! Tagsüber hatte er zu viel zu tun, um sich lange mit diesem Thema zu beschäftigen, und nachts …
    Damons Brustkorb hob sich in einem angespannten Seufzer. Er beobachtete die Festlichkeit noch ein wenig länger und war sich einer inneren Leere bewusst, die einfach nicht nachlassen wollte. Er wandte sich ab, da er zum Schloss zurückzukehren und sich einen ordentlichen Brandy genehmigen wollte. Plötzlich wurde seine Aufmerksamkeit von einer Gruppe fahrender Schauspieler gefesselt, die gekommen waren, um an den Festlichkeiten teilzunehmen. Laut stimmten sie einen ausgelassenen Gesang an, mischten sich unter die Menge und klatschten im Rhythmus der Musik.
    Einige freundliche Dorfbewohner ermunterten die Neuankömmlinge, sich zu den tanzenden Mädchen zu gesellen.
    Zwei der Frauen willigten ein, aber die dritte, ein schlankes Mädchen mit blonden Zöpfen, die oben auf ihrem Kopf festgesteckt waren, schüttelte beharrlich den Kopf. Die Feiernden bestanden trotz ihrer Weigerung weiterhin darauf und zogen und schoben die junge Frau zu dem Maibaum. Jemand setzte ihr einen Blumenkranz auf den Kopf, und sie lachte widerwillig, als sie den anderen Mädchen bei ihrem Weg um den geschmückten Baum folgte.
    Gebannt beobachtete Damon das Mädchen. Durch das dunkle Kleid und die Anmut, mit der es sich bewegte, war es leicht zu erkennen. Sie schien wie ein Kobold, der plötzlich aus dem Wald auftaucht und jeden Moment wieder verschwinden kann. Es war seltsam, welche Wirkung sie auf ihn hatte. Sein Körper war wie ausgehöhlt vor Sehnsucht; alle seine Sinne konzentrierten sich auf ihren Anblick und ihr hohes, reizendes Lachen.
    Sie ist nur irgendein Mädchen, sagte er sich und versuchte vergeblich, das Verlangen, das ihn verzehrte, zu verdrängen. Sie ist ein Mädchen wie alle anderen. Aber das stimmte nicht. Die Heftigkeit seiner Gefühle verwirrte und berauschte ihn zugleich. Alles, was er besaß, würde er für eine einzige Nacht mit ihr hingeben. Er war niemals anfällig für plötzliche Launen gewesen, hatte immer nur logisch und vernünftig gehandelt. Es schien, dass der Leichtsinn, den er sich immer versagt hatte, ihn plötzlich innerhalb eines Augenblickes überwältigte.
    Mit der Überlegenheit eines Raubtiers bewegte sich Damon um den Rand der Menge, den Blick fest auf sie gerichtet. Er war nicht sicher, was er vorhatte, aber er wollte ihr nahe sein.
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