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Das Geheimnis der Rose

Das Geheimnis der Rose

Titel: Das Geheimnis der Rose
Autoren: Lisa Kleypas
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versteckt.
    »Sehr schön, Mrs. Wentworth«, sagte Logan Scott leise. »Zeigen Sie uns, was Sie können.« Er streckte die breite Hand nach den Vorsprechstücken aus, die sie mitgebracht hatte, und blätterte die feuchten Seiten lässig durch.
    »Wie ich sehe, haben Sie eine Szene aus Mathilda vorbereitet. Ausgezeichnet. Dieses Stück haben wir letzte Saison lange gespielt. Charles ist ziemlich vertraut damit.« Er deutete auf den großen blonden Mann, der in einiger Entfernung stand. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, die Rolle von Lord Aversley zu übernehmen, Charles?«
    Der junge Mann gehorchte, ohne zu zögern.
    Scott setzte sich bequem hin, und die anderen machten es ihm nach. »Wenn Sie nichts dagegen haben, Mrs. Wentworth, werden wir den anderen Mitgliedern der Truppe erlauben, bei Ihrem Vorsprechen zuzusehen.«
    Julia hatte etwas dagegen. Es war viel schwieriger, eine Szene vor einer sehr kleinen Gruppe zu spielen als vor einer großen. Und diese Menschen waren Schauspieler, das kritischste Publikum überhaupt. Sie würden sich über sie lustig machen, weil sie Mitglied des Capital werden wollte – sie würden sofort sehen, dass sie keine Ausbildung hatte und herzlich wenig Erfahrung. Aber jetzt konnte sie nicht mehr zurück. Julia zwang sich zu einem Lächeln und folgte dem jungen Mann in die Mitte des Aufenthaltsraums.
    Rein äußerlich war Charles nicht der ideale Lord Aversley – er schien zu verbindlich und gutaussehend für die Rolle eines verkommenen Schurken. Auf der anderen Seite strahlte er eine Selbstherrlichkeit aus, die Julia beeindruckte. Sie hegte keinen Zweifel an seiner Fähigkeit, jeden Charakter überzeugend zu spielen, wenn er es wollte.
    »Mathilda ist eine heikle Rolle für ein Vorsprechen«, bemerkte Logan Scott. Es war unklar, ob er zu Julia oder zu den anderen im Raum sprach. »Die Rolle einer ewig leidenden Heldin ist für gewöhnlich sterbenslangweilig.«
    Julia nickte ernst und starrte sein unerschütterliches Gesicht an. »Ich werde mich bemühen, nicht langweilig zu sein, Mr. Scott.«
    Ein amüsiertes Lächeln zuckte ihm um die Mundwinkel. »Beginnen Sie, wenn Sie soweit sind, Mrs. Wentworth.«
    Julia nickte und starrte konzentriert auf den Boden, um sich auf sie Szene vorzubereiten. Die Geschichte von Mathilda hatte ihrem Autor, S.R. Fielding, erst vor zwei Jahren Ruhm gebracht, zunächst als Roman, dann als durchschlagender Erfolg auf der Bühne. Das Publikum war fasziniert von der Geschichte eines ehrgeizigen Mädchens vom Lande, von ihrem Abstieg in die Prostitution und schließlich von ihrer Erlösung.
    Die Szene, die Julia gewählt hatte, in der Mathilda, noch Jungfrau, von dem teuflischen Schurken Lord Aversley verführt wird, stellte eine der wichtigsten dar.
    Julia sah zu Charles auf und begann in einem breiten Dialekt zu sprechen. Er antwortete in der klaren, aristokratischen Sprache von Aversley. Mit jeder Zeile spürte Julia, wie sie tiefer in dem Charakter versank. Sie gab sich halb lockend, halb ängstlich, wagte sich vor und zog sich zurück, als. Aversley sie langsam durch den Raum verfolgte.
    Logan konzentrierte sich auf das Mädchen, alle Sinne angespannt. Obwohl sie eine kleine Frau war, ein wenig kleiner als der Durchschnitt, wirkte sie durch ihre schlanke Figur größer. Mit ihren aschblonden Haaren, den strahlend blaugrünen Augen und dem zartgeschnittenen Gesicht war sie eigentlich zu hübsch. Es war schwierig, eine Frau von solch bezwingender Schönheit zu finden, die außerdem eine fähige Schauspielerin war. Wirklich schönen Frauen schien die Gefühlstiefe oder der Drang zu fehlen, etwas anderes als eine Naive zu spielen.
    In weniger als einer Minute nachdem die Szene begonnen hatte, erkannte Logan, dass Jessica Wentworth eine so bemerkenswerte Präsenz besaß, dass einem die Haare im Nacken zu Berge standen. Sie besaß die Gabe, sich in den Charakter zu verwandeln, den sie spielte. Ohne jede Eitelkeit wusste er, dass auch er diese Gabe besaß und gelegentlich ein oder zwei Mitglieder der Truppe dies ebenfalls schafften. Aber ein solches Talent war selten bei einem Mädchen, das nicht älter als zwanzig sein konnte.
    Jessica Wentworth interpretierte die Rolle der Mathilda offensichtlich mühelos. Sie war seltsam anrührend, mit der Neugier eines Kindes und einer bemitleidenswerten Faszination für einen Mann, der sie ruinieren würde. Und es gab eine gewisse Berechnung in ihrem Verhalten, ein kluges und tiefes Verständnis für Mathildas
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