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Das Geheimnis der Rose

Das Geheimnis der Rose

Titel: Das Geheimnis der Rose
Autoren: Lisa Kleypas
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in Ordnung zu bringen.
    »Sie sehen ganz passabel aus«, sagte der Mann, als könne er ihre Gedanken lesen.
    Zum ersten Mal lächelte Julia ihn zögernd an. »Ich hatte etwas mehr erhofft.«
    Er zuckte die Schultern. »Ihr Aussehen wird weniger zählen als Ihre schauspielerischen Fähigkeiten.«
    »Ja, natürlich.« Sie folgte ihm durch den Gang, vorbei an Garderoben, Büros, Tischlerwerkstätten und Kleiderkammern. Das Capital Theatre war eine große Anlage mit einem Haupttheater und vier Trabantengebäuden.
    Niemals war es einem Atemzug mit dem Theatre Royal in der Drury Lane genannt worden, bis Logan Scott die Leitung übernommen hatte. Unter seiner großartigen Regie und durch seine kraftvollen Darbietungen hatte sich das Capital zu einem der angesehensten Theater der Stadt entwickelt.
    Obwohl Logan Scott ein junger Mann in den Zwanzigern war, hatte er bereits einen legendären Status im Theater erreicht. Der Gedanke daran, ihn wirklich kennenzulernen, verursachte heftigen Aufruhr in Julias Magen. Wenn er entschied, dass sie kein Talent hatte, war ihre Karriere beendet.
    » Seit wann sind Sie bei der Truppe?« fragte Julia, deren Aufregung immer stärker wurde, je tiefer sie in den Gebäudekomplex eindrangen. Sie kamen im Flur an Arbeitern vorbei und dann um eine Ecke, wo man Stimmen von Schauspielern in den Übungsräumen hören konnte.
    »Seit es vor vier Jahren begann«, antwortete ihr Begleiter.
    »Sie haben sehr viel Glück, dass Sie mit Mr. Scott arbeiten können.«
    »Wirklich?« fragte er trocken. »Er kann ziemlich aufbrausend sein, müssen Sie wissen.«
    »Einem so großartigen Künstler kann man das verzeihen. Mr. Scott ist der größte Schauspieler Englands. Jeder nennt ihn den neuen David Garrick.«
    Er schnaubte höhnisch. »Das halte ich für übertrieben.«
    Julia sah ihn erstaunt an. »Sind Sie kein Bewunderer von Mr. Scott?«
    »Gelegentlich schon. Ich glaube nur nicht, dass er mit Garrick zu vergleichen ist. Noch nicht, zumindest.«
    Julia zuckte die Schultern. »Da ich ihn noch nie auf der Bühne gesehen habe, kann ich das nicht beurteilen.«
    Sie erreichten den Aufenthaltsraum, und Julia umklammerte fest ihre Papiere, als sie eintrat. Der cremefarben gestrichene große Raum stand voller Stühle, Sofas und mitgenommener Tische. Außerdem stand da noch ein Tablett mit Brot, Räucherwurst und Käse. Zwei Frauen saßen in der Ecke, während ein Mädchen und ein junger Mann auf der anderen Seite des Raums eine Szene probten und zwischendurch über eine linkische Choreographie lachten. Ein korpulenter älterer Herr saß abseits und las ein Stück, wobei er lautlos die Lippen bewegte.
    Beim Anblick der Neuankömmlinge sahen alle auf. Sofort kamen sie zu Julias Begleiter und drängten sich um ihn, bis Julia zur Seite geschoben wurde. Mit erhobenen Händen wies er einen Sturm von Fragen und Forderungen ab.
    »Später«, teilte er ihnen mit. »Zunächst muss ich mich um etwas anderes kümmern ein Vorsprechen.«
    Julia starrte ihn mit großen Augen an. jetzt, da sie in dem hellerleuchteten Aufenthaltsraum standen, konnte sie viele Einzelheiten an ihm entdecken, die ihr vorher entgangen waren. Er trug teure, maßgeschneiderte Kleidung: eine dunkle Hose, eine smaragdgrüne Weste und eine schwarze Seidenkrawatte. Sie hatte noch niemals bei einem Mann so schöne Haare gesehen: widerspenstige braune Wellen mit glänzenden mahagonifarbenen Strähnen. Sie waren kurzgeschnitten und zurückgekämmt, sahen aber trotzdem so zerzaust aus, dass eine Frau sich förmlich aufgefordert fühlte, sie glattzustreichen.
    Seine autoritäre Ausstrahlung entging ihr nicht. Dies, zusammen mit dem bezwingenden dunklen Timbre seiner Stimme und vor allen Dingen diesen fesselnden blauen Augen, verrieten Julia, um wen es sich handelte. Sie spürte, wie ihr das Herz in die Kniekehlen sank, und wusste, dass ihre Wangen keine Farbe mehr hatten. »Sie sind Logan Scott«, murmelte sie. »Sie hätten es mir sagen sollen.«
    Seine Augen funkelten verschmitzt und herausfordernd. »Sie hätten fragen sollen.«
    Sie nickte reumütig und überlegte, ob es ihr wohl gelungen war, alle Chancen, einen guten Eindruck zu machen, zunichte zu machen.
    »Und Ihr Name ist …?« gab er ihr das Stichwort.
    »Mrs. Jessica Wentworth«, sagte Julia und benutzte damit den Künstlernamen, den sie sich ausgedacht hatte. Das halbe Dutzend Menschen in dem Raum starrte sie neugierig an. Am liebsten hätte sie sich in irgendeiner dunklen Ecke verkrochen und
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