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Der Jakobsweg

Der Jakobsweg

Titel: Der Jakobsweg
Autoren: Inka Ehrbar
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Prolog
     
    Der Gedanke, auf die Suche nach mir selbst zu gehen, lässt mich seit einiger Zeit nicht mehr los. Jetzt bin ich allerdings fest entschlossen. Ich werde für eine gewisse Zeit meine gewohnte Umgebung verlassen und etwas tun, was so gar nicht meinem alltäglichen Leben entspricht.
    Aber was wird Walti dazu sagen?
    Als ich ihn kennen lernte, musste ich zunächst lachen, denn alle Freunde und Bekannten riefen ihn kurz: Walti. Und ich fragte mich: Wie kann man einen erwachsenen Mann bloß so nennen? Ich lernte jedoch sehr bald, dass die Schweizer weder Personen noch Sachen verniedlichen wollen. Vielmehr ist es im allgemeinen Sprachgebrauch üblich, etwas liebevoll abzukürzen oder zu erweitern. Zum Beispiel: Hündli, Chilche für Kirche und Walti eben für Walter.
    Es war Sonntag. Wie so oft saß Walti am Schreibtisch und studierte irgendwelche Verträge. Obschon er es hasst, wenn er bei der Arbeit gestört wird, sagte ich: „Du, Walti. Ich werde nach Santiago pilgern. Was hältst du davon?“
    Er blickte kurz hoch und murmelte: „Was willst du in Chile? Bist du jetzt ganz verrückt geworden?“
    „Ich meine nicht Santiago de Chile, sondern Santiago de Compostela in Galicien. Tila und ich, wir werden von der französischen Grenze aus immer Richtung Westen wandern: zum Grab des Apostels Jakobus, des Schutzheiligen Spaniens.“
    Walti lehnte sich in seinen Sessel zurück und erwiderte gedankenverloren: „Ideen hast du!“
    „Du hast also nichts dagegen?“
    Er ließ einen Moment verstreichen, ehe er seinen Kopf schüttelte. „Es würde ja doch nichts nützen. Wenn du dir etwas in den Kopf gesetzt hast, habe ich sowieso keine Chance.“
     
    700 km zu Fuß nach Santiago de Compostela. Für mich eine echte Herausforderung:
    die körperlichen Anstrengungen,
    der Rucksack,
    die Füße...
    Werden sie mich tragen?
    Vier Wochen allein unterwegs mit Tila, meinem Hund.
    Werde ich es schaffen?
    Werden wir es schaffen?
     
    Was für eine Frage! Ich könnte mich halb totlachen. Natürlich werden wir es schaffen. Inka geht ja schließlich nicht allein. Ich, Tila, bin doch dabei. Was soll da schon schief laufen? Inka sollte sich mal wieder an meinen Stammbaum erinnern. Immerhin wurde meine Mutter in Alaska geboren und traf dann später in der Schweiz auf meinen feurigen Vater. Eine tolle Mischung. Vor allem, wenn man bedenkt, dass mein Urgroßvater noch ein richtiger Wolf war. Aber das ist eine andere Geschichte.
     

13.4. Ostermontag: Die Anreise
     
    Heute geht es los. Hat ja auch nach der Packerei der vergangenen Tage lange genug gedauert. Hin und wieder ist mir Inka ziemlich auf die Nerven gegangen. Was nehme ich mit? Was lasse ich hier? Rein in den Rucksack und wieder raus...
    Walti will uns mit dem Flieger nach Biarritz bringen, an die Côte des Basques. Von dort aus sind es dann knapp 50 km bis zur spanischen Grenze. Mir soll es recht sein. Die Hauptsache ist, es geht endlich los.
    Aber was ist das? Auf dem Flughafen gibt es großes Geschrei. Von ,Eislevel’ ist die Rede oder so. Keine Ahnung, warum die Wetterfrösche wegen des bisschen Schnees so einen Lamento machen. Jedenfalls wird uns die Starterlaubnis verweigert. Hoffentlich fahren wir nicht mit dem Auto. Nicht auszudenken, die ganze Zeit über in diesem Käfig zu hocken.
    Ciao, Walti. Unter uns gesagt: Ich bin heilfroh, dass er nicht mitkommt. Sobald er nämlich da ist, bin ich Inka völlig schnuppe, als ob ich nicht existieren würde. Kaum ist er zu Hause, kümmert sie sich nur noch um ihn. Und dann der ewige Kampf um den Platz auf dem Sofa, auf dem er sich so gern breit macht. Also, ciao, Walti, das Sofa soll vorerst dir allein gehören. Deine beiden Frauen machen sich auf zu neuen Abenteuern.
    Na ja, jedenfalls sitzen wir jetzt im Zug und ich muss mir das ewige Gerattere der Räder anhören. Zum Heulen! Aber was noch schlimmer ist, seit Zürich steigen andauernd Leute über mich hinweg.
    Später mache ich es mir auf Inkas Schoß gemütlich, weil ab und zu ein Auto mit Getränken vorbeikommt.
    Da mein schwarzes, wunderschön glänzendes Fell nicht zu übersehen ist, sagt fast jeder: „Och, ist der aber süß.“
    Lauter so einen Quatsch muss ich mir an hören. Dabei bin ich nicht ein der, sondern eine die. Oder sie fragen: „Kann man den streicheln?“ Inka, die vor Stolz beinahe platzt, sagt auch noch: „Ja.“
    Obwohl ich hundemüde bis, lasse ich dieses ständige Anpfoten über mich ergehen und versuche zu schlafen.
    Mal sehen, was der morgige
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