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Das Geheimnis der Rose

Das Geheimnis der Rose

Titel: Das Geheimnis der Rose
Autoren: Lisa Kleypas
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murmelte sie verzweifelt und drängte sich auf dem verwahrlosten, rutschigen Bürgersteig an den Leuten vorbei. Eine ehemals kecke gelbe Feder hing von der Krempe ihres kleinen Huts herunter, und sie schob sie ungeduldig zurück. Heute war einer der wichtigsten Tage ihres Lebens. Wenn alles gutginge, nähme man sie vielleicht in die erfolgreichste Schauspieltruppe Englands auf. Wenn es ihr jedoch nicht gelänge, Logan Scott mit ihrem Talent zu beeindrucken, musste sie in das schmierige kleine Daly Theatre am Strand zurückkehren. Der dortige Theaterdirektor, Mr. Bickerston, behandelte die Schauspielerinnen wie Dirnen und schlug für sich Profit heraus, indem er für die Schauspielerinnen Treffen mit reichen Männern arrangierte. Er war wütend auf Julia, weil diese sich weigerte, sich mit einem lüsternen alten Baron einzulassen, der bereit war, für das Privileg, dass sie sich ihm hingäbe, eine außerordentlich hohe Summe zu bezahlen. »Du wirst meine Regeln befolgen«, hatte Bickerston sie angezischt, »oder du gehörst nicht länger zur Kompanie. Das nächste Mal, wenn ich einen Mann für dich finde, wirst du ihm zu Diensten sein, oder du packst deine Koffer.«
    Was die Dinge noch schlimmer machte, war die Tatsache, dass Bickerston ein Spieler war und den Schauspielern oft nicht ihre volle Gage bezahlen konnte. Wenn Julia nicht bald Geld verdiente, würde sie sich ihr gemietetes Zimmer nicht mehr leisten können. Und sie konnte nicht zur Not darauf zurückkommen, wie andere Schauspielerinnen ihre körperlichen Vorzüge zu verkaufen, um ihr Einkommen zu verbessern. Für sie kam das niemals in Frage, selbst wenn sie verhungern müsste.
    Julia seufzte und bekam eine Gänsehaut bei dem Gedanken, an den Strand zurückzukehren. Sie musste einen besseren Arbeitsplatz finden. Sie hielt das feuchte Papier unter den Arm geklemmt, senkte den Kopf und ging schneller. Plötzlich stieß sie gegen etwas Hartes, so dass sie beinahe hintenüber stürzte. Der Stapel Papiere fiel ihr aus den Armen. Nur dadurch, dass ein Mann sie schnell bei den Schultern packte, wurde verhindert, dass sie auf den schmutzigen Bürgersteig fiel.
    »Haben Sie sich verletzt, Miss?« fragte der Mann und stützte sie.
    Julia bückte sich, um die durchnässten Papiere aufzusammeln. Zu ihrer Bestürzung schleifte der Saum ihrer Röcke durch eine schmutzige Pfütze. »Sie sollten aufpassen, wo Sie hintreten!« rief sie.
    »Dasselbe könnte ich zu Ihnen sagen, Miss.« Die Stimme des Mannes hatte einen trockenen, vollen Klang.
    Er half ihr, die Papiere aufzuheben, und warf einen Blick darauf.
    Julia nahm sie ihm ab, bevor er etwas lesen konnte. »Ich bin auf dem Weg zu einem Vorsprechen«, sagte sie knapp. »Ich habe mich verspätet.« Sie wollte an ihm vorbeigehen, aber er hielt sie auf, indem er leicht ihre Schulter berührte. »Zu welchem Theater wollen Sie denn?«
    Sie sah zu ihm auf und blinzelte, als eine regnerische Brise über ihr Gesicht fegte. Er wirkte groß und stattlich, seine breiten Schultern waren von einem schweren schwarzen Umhang bedeckt. Durch den Schleier aus Regen, der von der Krempe seines dunklen Huts tropfte, sah sie ein offenes, anziehendes Gesicht mit tiefblauen Augen. »Ich versuche, das Capital zu finden«, sagte sie.
    »Sie sind da.« Er deutete auf einen Eingang. »Dort hindurch kommt man in den Aufenthaltsraum, wo gewöhnlich das Vorsprechen stattfindet.«
    »Woher wissen Sie das?« fragte sie misstrauisch.
    Ein Lächeln zuckte um den Winkel seines breiten, beweglichen Mundes. »Ich gehöre zur Truppe.«
    »Oh.« Sie war völlig überrascht und ein wenig neidisch. Ein glücklicher Mann, Mitglied eines so angesehenen Ensembles zu sein!
    Sein Lächeln blieb, als er sie betrachtete. »Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen den Weg.«
    Julia nickte und folgte ihm vorsichtig durch die Tür in einen ruhigen dunklen Gang. Erleichtert darüber, dem Regen entronnen zu sein, strich sie sich über die feuchten Röcke und versuchte, sie zu glätten. Ihr Begleiter wartete höflich, bis sie ihren tropfnassen Hut und Umhang abgelegt hatte, und nahm ihr beides ab. »Wir werden die Sachen in einer freien Garderobe trocknen lassen«, sagte er, öffnete eine Tür und hängte die Gegenstände an die großen Messinghaken an der Wand. Er selbst zog Hut und Mantel aus, fuhr sich mit den Fingern durch die zerzausten Haare und versuchte, die gewellte Mähne zu ordnen.
    Julia glättete ihre dunklen Haare und wünschte sich einen Spiegel, um ihre Erscheinung
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