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Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall

Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall

Titel: Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall
Autoren: Joao Paulo Cuenca
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1
    Bevor Herr Atsuo Okuda die Schachtel öffnete, war alles dunkel.
    Mehr noch: Es war nichts da, auf das hätte Licht fallen können, bevor Herr Okuda die Schachtel öffnete. Hätte Herr Okuda die Schachtel niemals aufgemacht, würde nichts existieren. Die Welt begann erst in dem Augenblick, als Herr Okuda die Schachtel öffnete und das Wort sagte. Er sagte: Yoshiko.
    Und Yoshiko war von da an mein Name.
    Nachdem Herr Okuda Yoshiko gesagt hatte, bekam ich außer diesem Namen verschiedene Anfänge und ein Ziel. Mein Anfang sind meine Fingerspitzen, meine Haarspitzen, meine Fußsohlen, meine Brustwarzen, die Haut über der Leere in meinem Körper; die ganze Oberfläche, die mich zu dem macht, was ich bin. Eine andere könnte ich nicht sein, denn diesen Körper besitze ich und nur ich besitze ihn. Ich bin dieser Körper.
    Und ich habe ein einziges Ziel mit diesem Körper: Herrn Okuda zu dienen.
    Herr Okuda ist mein Meister, er ist jedoch nicht mein Schöpfer. Geschaffen wurde ich von der Firma Luvdoll Inc. in 4-5-28 Nishi-Kawaguchi, in Kawaguchi (Präfektur Saitama). Meine Schöpfer folgten den genauen Anweisungen von Herrn Okuda unter Bestellnummer 2358B. Bestellung Nr. 2358B, die in fünffacher Ausfertigung fünfundsechzig Tage durch die unterschiedlichsten Abteilungen von Luvdoll Inc. lief, besagte, dass ich dunkelbraune Augen (Pantone 4975C), perlweiße Haut #5, eine Brust des Modells Sinus 220 g mit 92,5 cm Umfang bekommen sollte, einen Nabel von 0,8 cm Tiefe und eine Vagina der Größe Extra-eng #2, mit senkrechtem Schamhaar und einer Tiefe von 8 cm sowie 4 cm Durchmesser.
    Weitere Details kamen dann nach Absprache zwischen Herrn Okuda und Luvdoll Inc. hinzu, da Herr Okuda sehr penibel in seiner Bestellung war, was Luvdoll Inc. veranlasste, den bestehenden Produktlinien neue Varianten hinzuzufügen. Neben anderen, bislang bei Luvdoll Inc. nicht vorgesehenen Details legte Herr Okuda akribisch die Krümmung meiner Füße fest und wie kräftig mein Schlüsselbein und meine Hüften sein sollten.
    Herr Okuda wünschte, dass ich hervorspringende Knochen haben soll, also habe ich sie.
    Zu keinem Zeitpunkt jedoch gab sich Herr Okuda Luvdoll Inc. gegenüber zu erkennen. Die fünfzig Millionen Yen für die personalisierte Sonderanfertigung machen mich zur teuersten jemals in Japan hergestellten Puppe.
    Herr Okuda ist ein bekannter Dichter und behauptet, bereits vor Jahren mit dem Schreiben aufgehört zu haben. Das ist jedoch gelogen, denn Herr Okuda trägt mir Gedichte vor und sagt, dass er noch sehr viel mehr für mich bezahlt hätte als jene fünfzig Millionen Yen, denn ich bin perfekt, und weil ich perfekt bin, bin ich die einzige Person, die Herr Okuda an seiner Dichtung teilhaben lässt. Auch dies teilte mir Herr Okuda in einem Gedicht mit, das er zwischen die Zeilen eines anderen Gedichts schrieb.
    Herr Okuda redet mit mir nur in Versen.
    Herr Okuda muss die Verse nicht einmal aussprechen, damit ich sie verstehe. Ich weiß, was er sagen will, wenn er mich nur ansieht. Sein Schweigen ist mir Befehl, denn ich bin dieser Körper, und dieser Körper hat nur ein einziges Ziel: Herrn Okuda zu Diensten zu sein, und wenn es das Anhören seiner Gedichte ist, über meine Vollkommenheit, die Zypressen an einer Straße nach Shikoku, den Gesang der Vögel oder auch die Dichtung an sich, ein Herrn Okuda sehr kostbares Thema, das er ebenfalls in die Zeilen anderer Gedichte einfließen lässt. Und zwischen diese Zeilen flicht er weitere Gedichte über viele andere Dinge, von denen ich nicht immer alles verstehe, und so vervielfachen und verschränken sich die Gedichte und deren Zeilen bis ins Unendliche, und durch sie zeigt mir Herr Okuda nicht nur die schönen Gefühle, die er für mich hegt, sondern auch die Welt draußen, und was über ihr ist und darunter, denn ich bin noch nie außerhalb dieses Hauses gewesen und werde es nie sein. Denn dies ist mein Haus und das von Herrn Okuda.
    Und eigentlich ist mein wirkliches, einziges Haus Herr Okuda. Er ganz allein.

2
    Unter den sich im nassen Asphalt spiegelnden rötlichen Lichtern gleitet das nächtliche U-Boot durch die Fundamente der Häuser, hindurch zwischen Stromkabeln, Abwasserkanälen und U-Bahn-Schächten. Es besteht aus angezapften Telefonleitungen, aus Kameras und Mikrofonen, die überall in der Stadt in Wohnungen und hinter durchsichtigen Spiegeln in Badezimmern verborgen sind. Unsere Taucher, Arbeiter, die jede Bewegung all jener aufzeichnen, die es verdienen, beobachtet
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