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Traummoerder

Titel: Traummoerder
Autoren: Shane Briant
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Prolog
    »Dein Traum … ich möchte mehr darüber hören, Miriam«, flüsterte der Traumheiler mit Blick auf den Computer. »Erzähl mir mehr.«
    Er saß mit gekreuzten Beinen in seinem dunklen Schuppen auf dem Dach des Stratten Buildings an der Grand Avenue. Nur das bläuliche Licht des Laptops beleuchtete sein Gesicht. Das junge Mädchen auf dem Bildschirm redete schnell, eine Mischung aus Angst und Genuss zeichnete ihre Züge – als würde sie mit ihrer besten Freundin plaudern.
    »Ich schlafe«, begann der Teenager. Mit dem Computer zu sprechen war für die Jugend des neuen Jahrtausends genauso natürlich wie das Telefonieren mit einem Bakelitapparat für ihre Urgroßeltern in den vierziger Jahren.
    »Es ist wie …« Sie zögerte, ihre Augen glänzten bei der Erinnerung an den Traum von körperlicher Gewalt. Der Heiler konnte beobachten, wie sie überlegte und nach der besten Möglichkeit suchte, ihre sadomasochistischen Empfindungen zu beschreiben. Er wusste, dass sie ihn schockieren wollte. »Es ist, als hätte jemand dieses winzige bohrende Insekt in mein Ohr gesteckt. Ich flippe vollkommen aus!«
    Der Traumheiler lächelte. Dieser Albtraum hatte Beine – wie das Insekt auch.
    Die Pupillen des Mädchens weiteten sich, während sie ihre außergewöhnlichen Gedanken weiter spann. »Ich spüre, wie es in meinem Schädel schabt. Und dieser Lärm … Wissen Sie, was ich meine? Es ist unglaublich. Krass!«
    Das konnte sich der Traumheiler gut vorstellen.
    Das Mädchen hielt inne und schloss die Augen. Die Gefühle, die sie sich ins Gedächtnis rief, wurden ihr allmählich unheimlich. Die Erinnerung raubte ihr den Atem. Es war, als würde sie an die Wirklichkeit zurückdenken, nicht an einen Albtraum.
    »Erzähl mir mehr«, ermutigte sie der Heiler sanft wie ein Hypnotiseur.
    Das Mädchen reagierte augenblicklich auf den einschmeichelnden Tonfall. Ihr Blick fiel auf die Kamera über ihrem Computerbildschirm. Der Hauch eines Lächelns huschte über ihre Wangen, als sie den Mund öffnete, um fortzufahren … Die Stimme des Traumheilers war ja so verführerisch!
    »Es klingt wie Cornflakes. Wissen Sie, was ich meine? Wenn man sie isst, bevor sie aufgeweicht sind. Wie … wenn sie noch knusprig und knackig sind.«
    »Mmmmm. So mag ich sie auch am liebsten, Miriam. Knusprig.« Er machte eine kurze Pause, dann fügte er hinzu: »Erzähl mir mehr.«
    Der Traumheiler hatte noch nie Cornflakes gegessen. Er bevorzugte Haferbrei – weichen, warmen und besänftigenden Haferbrei. Doch die akustische Erinnerung des Mädchens machte ihn neugierig. Der Gedanke, dass sich ein Insekt an frischem Gehirngewebe, knusprig wie Cornflakes, gütlich tat, war ausgesprochen originell. Beinahe erregend.
    Er fasste nach dem Butterbrotpapier, in das vorher sein Sandwich eingewickelt gewesen war, und knüllte es neben dem Mikrofon mit der Hand zusammen.
    »Verstehen Sie …« Sie verstummte abrupt. »Hey, sind Sie das?«
    »Was soll ich sein?«
    »Machen Sie dieses Geräusch?« Der Muskel unter ihrem linken Auge begann zu zucken.
    »Ich höre kein Geräusch, Miriam. Das bildest du dir bestimmt nur ein.«
    Plötzlich wirkte das Mädchen verängstigt und verwirrt.
    Der Traumheiler beobachtete, wie sie sich langsam von ihrem Stuhl erhob, auf den Boden ihres Zimmers sank und erst die Hände an die Schläfen presste, ehe sie sich auf alle viere fallen ließ, über den Boden kroch wie ein verwundetes Tier und schließlich beinahe in Embryostellung knapp unter ihrem Bett landete. Sie stöhnte leise und krallte die frisch manikürten Nägel in die Ohren.
    Der Heiler raschelte lauter mit dem Papier. Die Wirkung war erschreckend. Die Glieder des Mädchens fingen heftig zu zucken an, der röchelnde Atem kam stoßweise.
    »Oh, Scheiße’. Es bewegt sich schneller. Es bohrt sich ganz durch. Durch mein Gehirn! O mein Gott … dieser Schmerz! Er ist unerträglich.«
    Inzwischen war ihre Stimme mit Entsetzen durchtränkt. Sie schrie, während ihr Kopf von einer Seite zur anderen schnellte. Der Traumheiler rieb das Papier noch schneller zwischen den Händen. Nahezu gleichzeitig begann sie ihre Gesichtshaut über das, was von ihren verstümmelten Ohren noch übrig war, zu zerren. Sie versuchte, das widerliche Kaugeräusch auszuschalten, doch die grausigen Töne, die aus dem Computer drangen, breiteten sich in ihrem Inneren aus wie Viren. Die Bilder, die sie mit sich brachten, waren nicht auszuhalten.
    Krrrr, krrrr, krrrr.
    »Mein Kopf steht in Flammen. Er
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