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Feuer fuer den Grossen Drachen

Titel: Feuer fuer den Grossen Drachen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Teutsche(«… warum heißt sie eigentlich Hanna? Die sollte doch lieber Irmhild oder Brunhild heißen, zumindest aber Frauke oder Wiebke!»), b) hatte er was gegen alles Großbürgerliche, und c) hatte er was gegen alle, die ihm Kochale wegnahmen.
    Sie war die erste und einzige Tochter eines ostpreußischen Fleischermeisters, den der große Treck anno 44/45 nach Friesland gespült hatte, nach Jever, wo die Besitzer einer gut bis sehr gut gehenden Wurst- und Fleischwarenfabrik schon des längeren nach einem fachkundigen Ehemann für ihr ebenso angejahrtes wie angeticktes Töchterlein gewartet hatten. So hatte der Herr alles gerichtet. Die Enkelin hatte den Namen einer Erbtante erhalten, Johanna, die zudem noch stiller Teilhaber war, und hatte eine ungebrochene Erziehung zur höheren Tochter genossen.
    Die Begrüßung. Küßchen auf die Lippen für Kochale, Küßchen auf die bärtige Backe bei Theo. Ab in Richtung Innenstadt.
    Die Neue Chance e. V. hatte sich zum Ziel gesetzt, Strafgefangenen und Haftentlassenen bei ihrer Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu helfen. Zunächst suchte man Briefkontakte zu Inhaftierten, die isoliert schienen, dann besuchte man sie in den einzelnen Haftanstalten und unterstützte sie, wenn ihre Entlassung anstand, bei der Suche nach Wohnung und Arbeit. Man, das waren diplomierte wie noch studierende Pädagogen, Psychologen, Soziologen und Sozialarbeiter, manchmal zehn bis zwölf Leute, männlich, weiblich oder auch irgendwo dazwischen, die den Knacki als Betreuungsobjekt entdeckt hatten. Einige waren arbeitslos gewesen und freuten sich nun, einen Job als ABM-Kräfte gefunden zu haben, als förderungswürdige Jungakademiker, denen das Arbeitsamt aus speziellen ‹Arbeitsbeschaffungsmitteln› neun Monate lang ein angemessenes Gehalt zahlte. Andere wieder suchten sich ihr Material für Haus- und Diplomarbeiten zusammen, einzelne schließlich fanden es chic, mit Knackis zu verkehren, wollten das Überlegenheitsgefühl genießen, das mit jeder Hilfe verbunden ist, und sie gackerten am lautesten, wenn es mal gelungen war, jemand zu einem neuen Start zu verhelfen.
    Finanziert wurde die Neue Chance im wesentlichen von der Stiftung Volkswagenwerk, zu deren Gremium Q-Müller, der Projektleiter, einen besonders guten Draht hatte. Außerdem war Straffälligenhilfe gerade in, was Wunder bei Rückfallquoten bis zu achtzig Prozent, ebenso wie die sogenannte Aktionsfeldforschung, wo man was Neues schuf (implementierte, wie es im Fachjargon hieß) und mit einer wissenschaftlichen Begleituntersuchung über längere Zeit hinweg verfolgte.
    Begegnungsstätte der Neuen Chance war eine ehemalige Hinterhofwerkstatt, Nähe Görlitzer Bahnhof, Ohlauer Straße, fast schon am Rande des Türken-Gettos.
    Als Motor, als Herz des Ganzen galt jener anekdotenumwobene Q-Müller, anfangs Professor an der Pädagogischen Hochschule und dann nach deren Integration in die Freie Universität mit hinübergewandert, Fachgebiet Sozialadministration. Einer, der zwangsneurotisch arbeitete, wühlte, ackerte, dauernd was Neues anleiern und über die Bühne ziehen mußte. Ein ehemaliger Radrennfahrer, Spezialität Straßenrennen. Stundenlang im Sattel, bolzen, kurbeln, durchhalten. Nicht mal zum Pinkeln absteigen, sondern während der Fahrt durchs Hosenbein auf die Straße. Nur keine Zeit verlieren.
    Eigentlich Kurt Müller, war er durchs Radrennen zu seinem merkwürdigen Namen gekommen. In größeren Starterfeldern, in der Jugendklasse noch, hatte es des öfteren mehrere Müllers gegeben. Zunächst hatte noch das K. Müller zur Unterscheidung gereicht, dann aber, als sich eines schönen Morgens noch ein Karl Müller am Startplatz einfand, war der federführende Funktionär auf die Idee gekommen, Müller, Kit. zu schreiben. Als seine Vereinskameraden das spitzgekriegt hatten, machten sie erst Ku-Müller daraus und bald darauf Kuh-Müller, was der Betroffene gar nicht gut fand. Im vorletzten Schuljahr war es dann ein neu eingetretener Lateinlehrer, der ihn errettete, indem er (Frage «Wer fehlt denn?» – Antwort «Kuh-Müller!») Q. Müller ins Klassenbuch schrieb, annehmend, daß der leistungsstarke Knabe, der ganz offensichtlich aus einem gebildeten Elternhaus kam (Beruf des Vaters: Konsistorialrat), Quirin oder Quintus heiße, wenn nicht sogar irgendwie biblisch, obgleich ihm so auf die Schnelle nichts Passendes einfiel, vielleicht auch Quinctilius, wie weiland Publius Q. Varus (9 n. Chr. im Teutoburger Wald).
    Sie kamen,
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