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Feuer fuer den Grossen Drachen

Titel: Feuer fuer den Grossen Drachen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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sagte Theo, «als die Deutschen hier noch ihre Miete zahlen durften. Kennste Zilles Zeichnung Die Ratte? Ziehn zwee Jungen ‘ne tote Ratte uffm kleen Wagen hinta sich her. Sagt der eene: ‹Von wat isse denn jestorbn?› Antwortet der andere: ‹Unse Wohnung is zu naß!›»
    Als sie am Auto angekommen waren, ging die Tür des Restaurants auf, und eine Gruppe Jugendlicher quoll heraus. Kochale ging in Deckung.
    «Keine Angst», sagte Theo, «die kenn’n mich!»
    Theo, der Rechten wie Linken, Grauen Wölfen wie Maoisten gleichermaßen geholfen hatte, war so was wie ein Schweizer Diplomat, ein Exemplar Niemandslandmensch.
    Theo fuhr los. «Vorn machen sie Musik, im Hinterzimmer sitzen sie zusammen und planen ‘n nächsten Überfall auf’n Arbeiterverein.»
    «Wo sind wir ‘n eigentlich?» fragte Kochale.
    «Friedrichstraße, Ecke Kochstraße», lachte Theo. «Weißte eigentlich, wer hier alles gewohnt hat?»
    «Nee.»
    Theo, der unlängst dem SFB ein Feature über diese Straßen verkauft hatte, wußte es. «Ludwig Tieck, Adalbert von Chamisso. Die ‹Mittwochsgesellschaft› war hier zu Hause – Eichendorff, Willibald Alexis, E. T. A. Hoffmann… Als Gäste: Theodor Storm, Victor von Scheffel, Felix Dahn – und so weiter und so weiter.»
    «Mann!» sagte Kochale und verstummte.
    Von Kreuzberg nach Schlachtensee, zu Hanna, waren es etliche Kilometer, erst durch den Tiergarten, dann die Ost-West-Achse lang, schließlich die Avus hinunter. Hannas Wagen war beim TÜV, und so war es selbstverständlich gewesen, sie abzuholen. Außerdem liebten beide, Theo wie Kochale, diese Fahrten. Weißte noch? Kannste dich noch erinnern?
    Siegessäule. Da war Tommy, ihr Klassensprecher, vom Lastwagen überrollt worden. Vor ihren Augen. Nur mal schnell die neuen Fahrräder ausprobieren. Ein kleiner Schlenker nach rechts. Dann die Beerdigung.
    Straße des 17. Juni. Da waren sie an einem Herbstabend um die Nutten herumgeschlichen, mit viel Geld in der Tasche – einmal mußte es ja passieren –, aber ohne Mut, sie anzusprechen.
    U-Bahn Kaiserdamm. Mit dem Sportverein unterwegs. Ihr irrwitziger Versuch, Kochales Stabhochsprungstange, damals noch aus Schwedenstahl, durch die schnell geöffneten Fenster ins Innere eines Waggons zu bugsieren. Ein tobender Stationsbeamter, Panik und Blackout bei ihnen. Die Stange schließlich auf den Schienen (Kurzschlußgefahr!) und der Zugverkehr für eine Viertelstunde unterbrochen. Eine harte Sache für ihre Väter, die Sache wieder geradezubiegen.
    Eichkamp. Hier hatte Bille gewohnt, Sybille. Weibliche Jugend, Weitspringerin. Und Bille, braun gebrannt, knappes weißes Höschen, hatte sie beide rangelassen, wie sie das damals nannten, unmittelbar hintereinander, fast gleichzeitig schon, an einem verregneten Nachmittag in einer Jugendherberge im Bayerischen Wald.
    Ausfahrt Hüttenweg. Kleiner Umweg, an der alten Schule vorbei.
    «Kannst du dich noch an Miss Makebeinbreit erinnern?» Theo schmunzelte.
    «Klar. Das ewig wackelnde Bett in der Jugendherberge… Ich war scharf auf ‘ne gute Zensur bei der, Ausgleich für Latein und Mathe.»
    So ging es noch eine ganze Weile, und sie waren bester Stimmung, als sie bei Hanna ankamen, Terrassenstraße, Blick auf Schlachtensee und Grunewald.
    Sie stand auf der Freitreppe der Villa, in der Hanna oben in der zweiten Etage eine kleine Wohnung gemietet hatte, das ehemalige Gouvernantendomizil. Wie passend für sie, hatte Thea gesagt, als Kochale damals davon erzählt hatte.
    Hanna: von Kochale und seinen Eltern vorgesehen, nicht nur die Firma zu repräsentieren, sondern dem Hause auch – blendende Juristin, die sie war – als Justitiarin kostengünstig zu dienen. Vor drei Jahren hatten sie sich verlobt, das Traumpaar des Jahres.
    Auf den ersten Blick: viel Klischee. Als sie jetzt zur Straße herabkam, dahinglitt («Ballettunterricht macht sich immer bezahlt, mein Kind!»), da erinnerte sie ein wenig an die junge Grace Kelly (High Noon) oder an das, was Thea mit ihrer Bemerkung über die Hohe Frau gemeint hatte: an ein Lebensborn-Produkt. Zudem stammte sie aus Jever. Assoziation: Ein schaumgekröntes kühles blondes Bier in einem wohlgeformten Glas neben einer schlanken grünen Flasche, goldetikettiert, vor einer Deichlandschaft; kleine, klare Flüßchen, Bauernkaten… Das Ursprüngliche wird immer kostbarer. Jevener Pilsener. Friesisch-herb.
    Hanna Jendreyko aus Jever. Theo war ihr in herzlicher Abneigung verbunden, denn a) hatte er was gegen alles
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