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Feuer fuer den Grossen Drachen

Titel: Feuer fuer den Grossen Drachen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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hätte er vergessen, das Fahrziel zu nennen.
    «Ambassador!»
    Das war nicht gerade ‘ne berauschende Fuhre; ‘ne Fahrt zum Ost-Berliner Flughafen, nach Schönefeld draußen, wäre Kochale lieber gewesen.
    Der Mann mochte Mitte Dreißig sein, Messerformschnitt, nach der Rasur Prestige aufs Kinn. Der Duft gepflegter Männlichkeit. Am Boardcase ein kleiner Anhänger Cabin. Senator Service. Lufthansa. Also von weither gekommen; der Lufthansa haben die Alliierten ja noch immer nicht gestattet, Berlin (West) wieder anzufliegen. Es lohnt sich, erstklassige Mitarbeiter entsprechend zu befördern. Als Taxifahrer – die langen Wartezeiten an den Halteplätzen! – hat man Muße genug, auch Anzeigen zu lesen, sogar mehrmals am Tag.
    Schließlich, als sie auf bröckligem Spannbeton übers Spreetal fuhren und nach einem ratlosen Blick auf das Eigentümerschild vorn überm Handschuhfach (Hans-Werner Mallwitz), konnte sich der Mann im Fond nicht länger zurückhalten.
    «Entschuldigen Sie, aber sind Sie nicht der Sohn vom alten Kochale…?»
    Wieder einer. Diese Scheißreportagen in der Presse! «Scheint so.»
    «Ich hab bis zum Ende bei Ihnen im Einkauf gearbeitet. Jetzt bin ich bei Siemens.»
    «Wie schön für Sie», sagte Kochale und fügte, um keine Beschwerde zu provozieren, schnell hinzu: «Ich meine, schön, daß Sie so schnell wieder was Neues gefunden haben.»
    «Wie geht’s denn Ihrem Herrn Vater? Wo haben ihn die Reporter zuletzt gesehen – Argentinien, Paraguay…?»
    «Chile.»
    «Ach so… Schade um solche Unternehmen! Holt sich Ihr Vater diese amerikanischen Unternehmensberater ins Haus – Cochran & Carrington, nich? – und merkt nicht, daß die ihn nur kaputtmachen wollen…»
    «Hm, hm.»
    «Kochale Werkzeugmaschinen – seit 1889. Was ist ‘n jetzt in den Gebäuden drin?»
    «Asylanten – Pakistani, Äthiopier, Libanesen und noch ‘n paar andere…»
    «Ach Gott! Das ist ja schlimm bei Ihnen hier – und alles vollgeschmiert…»
    Das bezog sich auf die Inschriften, die Häuserwände, Reklameflächen, Telefonzellen und Bürgersteige bedeckten: Ausländer raus / Berlin muß wieder deutsch werden / Bestraft sie nicht zu knapp – am besten Rübe ab / Türkenblut muß fließen!
    Kochale tat so, als betreibe er Berlin-Werbung. «Bürgerkrieg in Berlin – nur noch ‘ne Frage von wenigen Wochen. Dürfen Sie nicht versäumen!»
    «Mir sind die Ausländer ja auch lieber, wenn ich ihnen draußen was verkaufen kann», sagte der Siemens-Mann. «Übrigens – Junghans, mein Name.»
    «Hm… ‘s is schon ‘n Pulverfaß hier», sagte Kochale. «Aber wohin mit denen? Die halbe Türkei wohnt ja hier.»
    «Hatten Sie nicht auch ‘n Zweigwerk in der Nähe von Izmir?»
    Damit waren sie wieder beim Thema, und bis zum Erreichen des Hotels – dank einiger Staus mit Verzögerung – konnten sie Glanz und Elend des Werkzeugmaschinenbauers Karl-Friedrich Kochale noch einmal Revue passieren lassen.
    Kochale, das war noch einer gewesen, der patriarchalisch zu herrschen verstand, der noch Marketing-, Finanz-, Personal- und Fertigungschef in einem war, der noch selber an Sonderkonstruktionen herumbastelte (und darüber den Bau gewinnbringender Typenprodukte vergaß). Über 800 Mitarbeiter in seinen besten Zeiten und einen Jahresumsatz von 35 Millionen Mark. Doch dann ging’s bergab, als er im westdeutschen Zweigwerk riesige Maschinen- und Waffenfabriken fürs kaiserliche Persien projektierte und zu bauen anfing – und die neuen Herren dann nichts mehr davon wissen wollten. Und plötzlich waren sie da, die tödlichen Überschriften in den Wirtschaftsteilen: L IQUIDITÄTSSCHWIERIGKEITEN BEI K OCHALE ! Verluste in Millionenhöhe! Kochale am Ende? Veraltete Maschinen und das Fehlen jedes betriebswirtschaftlichen Instrumentariums …
    Amerikanische Unternehmensberater mußten her. Doch die hatten nichts anderes im Sinn, als die Kochale-Gruppe für ‘n Appel und ‘n Ei an interessierte japanische Hintermänner zu verscherbeln, und deren Plan war klar: Rationalisieren, gesundschrumpfen, Schließung des Berliner Werks und Konzentration der Produktion in Westdeutschland.
    Alarmstufe 1: 800 Arbeitsplätze in Gefahr. Der Berliner Senat ist aufgeschreckt, sieht sich die Unterlagen an und gewährt, unbürokratisch wie selten, einen Kredit von 11,5 Millionen Mark. Da bekommt ein oppositioneller Parlamentarier, zufällig Aufsichtsratsmitglied von Kochales schärfster Konkurrenz, einen kleinen Tip, und die Staatsanwaltschaft schlägt
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