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Feuer fuer den Grossen Drachen

Titel: Feuer fuer den Grossen Drachen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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zärtlich er zu allen Kindern war: Hießen sie Michael oder Andreas, bekamen sie einige Nuancen Zuwendung weniger zu spüren.
    Kaum war Kochale eingetreten, wurde er zum Essen genötigt. Schweinshaxe beziehungsweise Eisbein mit Sauerkraut und Erbsenpüree. Die beiden Schmuddelkinder, die unten an der Teppichstange herumturnten, wurden eilends hochgeschrien.
    Thea trug auf einem Riesenteller dampfende Fleischberge herein. Kochale ließ seine Gabel kreisen, hatte im Nu das absolut knusprigste Stück herausgefunden und stach zu.
    «Heh!» schrie Theo und schlug ihm das Fleisch von der Gabel. «Das ist mein Teller, du unverschämter Lümmel!»
    Kochale staunte. Das, was er als die gemeinsame Nahrung für drei Erwachsene und zwei Kinder angesehen hatte, war also für Theo allein bestimmt. Obwohl sie sich von der Buddelkiste her kannten, neigte er noch immer dazu, Theos Fassungsvermögen zu unterschätzen.
    «Leben ist Umsetzung von Materie in Lust», sagte Theo und hob seinen Humpen.
    Kochale, für den das Essen nie mehr als bloße Notwendigkeit gewesen war, aß nur so viel, wie ihm der Anstand zu gebieten schien. Nicht umsonst, so hatte sein Vater immer gepredigt, gelte Völlerei als eine der sieben Todsünden, und ein wahrer Mann konnte nur derjenige werden, der zur Selbstbeherrschung in der Lage sei, auch beim Essen… Eine Haltung, die es ihm gestattete, die Kantinenzuschüsse bis hin zur Streikdrohung seiner Belegschaft zu kürzen.
    «Sag mal…» Theo sah Kochale an, und zwar, da er gerade weit überm Teller hing, schräg von unten: «Was macht denn die BwL? Haste dich überhaupt mal wieder draußen inner Uni sehn lassen?»
    «Was soll ich noch Betriebswirtschaft studieren, wo der Betrieb längst im Eimer ist?»
    «Haste nich schon deine Diplomarbeit fertig – bis auf das letzte Kapitel?!»
    «Na und?» Kochale bückte sich, um seine Papierserviette aufzuheben.
    «Mensch, du kannst doch nicht einfach alles so schießen lassen!»
    «Meinst du vielleicht, ich lauf da irgendwo als kleiner Angestellter rum und laß mir von jedem arrivierten Arschloch dämlich kommen?» Kochale knüllte die Serviette zusammen und warf sie auf den Teller.
    «Das nicht. Aber als Direktionsassistent oder so», sagte Theo.
    «Da kannste aber lange warten, daß mich da einer nimmt», lachte Kochale. «Wo sich inzwischen in ganz Deutschland rumgesprochen hat, welche Dinger die da bei uns in der Firma gedreht haben… Kochale nach Südamerika geflüchtet. Bilanzfälschungen größten Ausmaßes. Auch der Wirtschaftssenator muß gehen. Das Aus für Kochale. Schließung des Berliner Werks am 31. August. Achthundert Arbeitsplätze verloren – und so weiter und so weiter; als ob de das nicht selber weißt!» Kochale stürzte sein Bier hinunter. «Ich bin doch abgestempelt jetzt; meinst du denn, so einen wie mich, den nimmt man noch in irgendeiner Chefetage? So einer macht einem doch das Image kaputt!»
    Theo sah ihn an. «Du kannst doch nicht dein Leben lang Taxe fahren, Mann, bei deinen Fähigkeiten!»
    «Was machst du denn mit deinen Fähigkeiten?»
    Eine berechtigte Frage, denn Theo nutzte den Marschallstab, den er im Tornister trug, bestenfalls als Pflanzholz, so sein eigener Vergleich, wenn er im Blumenkasten Feuerbohnen aussähen wollte. Sohn eines Landgerichtsdirektors und einer promovierten Studienrätin, im selben Berliner Nobelviertel aufgewachsen wie Kochale, Dahlem, hatte er erstklassige Zeugnisse gesammelt wie andere Leute Briefmarken, dazu Scheine und Diplome in Germanistik, Publizistik, Pädagogik. Programmiertes Berufsziel: Berliner Schulsenator, zumindest aber Stadtrat in einem der zwölf Berliner Bezirke. Und nun? Nun hauste er im Kreuzberger Kiez und unterrichtete vier Stunden, also einen Vormittag pro Woche, in einer Privatschule.
    «Vier Stunden Unterricht in der Woche, das macht Spaß, das brauch ich, acting out, aber von der fünften an, da mag ich’s nicht mehr, da wird’s Entfremdung.»
    Und da Thea halbtags als Kassiererin im Supermarkt arbeitete, kamen sie finanziell ganz gut über die Runden.
    Fehlte wirklich noch was für ihre WG-Kasse, dann machte Theo, obwohl unheimlich fluchend, irgendwas für die Berliner Sender; SFB und RIAS hatten ihn als freien Mitarbeiter ganz gern. Ein paar Mark brachte auch sein Job bei der Resozialisierung von Berliner Knackis.
    Eigentlich hatte Theo ja SPD-Karriere machen wollen, und er war auch schon auf dem besten Weg dazu gewesen, aber da war ihm während einer Diskussion mit
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