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Feuer fuer den Grossen Drachen

Titel: Feuer fuer den Grossen Drachen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Jugendlichen und anderen Ausgeflippten ein Satz entfahren, der alle seine Pläne zunichte machen sollte, der Satz: Wer Mitglied dieser Partei ist, der kann sie unmöglich wählen! Das hatte ihm prompt die rote Karte der für ihn zuständigen Schiedskommission eingebracht.
    «Noch ‘n Nachtisch?» fragte Thea und knallte zwei Büchsen Ananas auf den Tisch. Ihr Job als Kassiererin bot ihr, der Ex-Mathematikstudentin, nicht nur weiterhin die Chance des Umgangs mit Zahlen, sondern auch die des verbilligten Einkaufs.
    Theo war gerade mit Sheilas vollgekackter Windel beschäftigt und grunzte nur Unverständliches. Endlich hatte er die Pampers gelockert und konnte nun drangehen, ihren Po zu säubern. Mit Hilfe zweier Tempotaschentücher und seiner Serviette schaffte er es schließlich. Die volle Windel blieb, leicht zusammengefaltet, am Tischbein liegen.
    Kochale drehte sich der Magen um, aber Theo machte sich mit dem Spruch «Der Mensch lebt nicht vom Kot allein» unverdrossen über die Ananas her.
    Kochale wollte reden, wozu war er sonst hierhergekommen, reden über die bankrotte Firma, über seine Diplomarbeit, die unvollendet war und blieb, über Hanna, aber die Kinder, die gerade die Couch als Trampolin benutzten, machten mit ihrem Geschrei jedes Gespräch unmöglich. Kochale litt sichtlich. «Könnt ihr die nicht mal…!?»
    «Die brauchen das», sagte Theo.
    Als dann die lieben Kleinen endlich wieder in den Hof hinuntergelaufen waren, tranken sie Tee, Zimt-Tee, und aßen von Thea am Tisch zubereitete Waffeln.
    Theo sah auf die Uhr. «Die Neue Chance läßt uns keine mehr: Wir müssen los, Hanna abholen.»
    Thea staunte. «Was will denn die Hohe Frau bei euch im Knacki-Rettungsverein?»
    «Rechtsauskünfte erteilen.»
    «Dann fahrt man mit Gott, dann fahrt ihr mit keinem Spitzbuben», sagte Thea.
    «Du als Pfarrerstochter, du mußt das ja wissen», sagte Theo.
    Kochale bemerkte, daß er solche Äußerungen nicht besonders geschmackvoll finde.
    Nach längerer Schlüsselsuche fiel Theo ein, daß er ja seinen Wagen verborgt hatte. Eingehende Befragungen waren erforderlich. Zwei seiner WG-Genossen kopulierten gerade, ein weiterer stöhnte auf dem Scheißhaus; man hatte zu warten, bis ein jeder erfolgreichen Vollzug melden konnte. Es stellte sich heraus, daß Happy den Schlüssel mitgenommen hatte – bürgerlich: Hans-Joachim Glueck, derzeit als Schaufensterdekorateur irgendwo im fernen Spandau beschäftigt. Endlich kam er, sichtlich down, und stürzte, kaum daß er Theo die Autoschlüssel zugeworfen hatte, in sein Zimmer, um sich den nächsten Stereo-Schuß zu verpassen (harter Stoff gleichzeitig in beide Armvenen).
    «Nächsten Monat kriegen wir endlich ‘n Therapieplatz für ihn», sagte Theo.
    «Ich wüßte was Besseres», murmelte Kochale.
    Auf der Straße herrschte Ruhe, auf den ersten Blick jedenfalls; die Instandbesetzer waren zum zuständigen Polizeirevier gezogen, um die Freilassung ihrer festgenommenen Genossen zu erreichen. Es war kühl und regnerisch, Ende Mai, und nirgendwo mehr ein Glühwürmchen, das flimmerte, obwohl, wie Theo, Lehrer durch und durch, dozierte, Paul Lincke («Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft…») im November 1866 nahebei in der Oranienstraße auf die Welt gekommen war.
    Die Berliner Luft dieses Jahres war erfüllt von Brandgeruch. Wie ihnen ein gutgelaunter Wermutbruder erzählte, hatte es im Türkenquartier, Adalbertstraße wohl, wieder mal gebrannt, im Treppenhaus. «Wir räuchern alle Türken aus», lallte er, während er gegen eine neu aufgestellte Telefonzelle pißte. «Meinen Strahl wollten sie ja nicht zum Löschen haben.» Worauf er noch Shakespeare zitierte, aber auf englisch («jealous in honour, sudden and quick in quarrel, seeking the bubble reputation …»), und wieder in den Büschen verschwand.
    Sie gingen zu Theos R 4 hinüber, der so alt und verbeult war, daß ihn keiner mehr klaute. In den Hauseingängen standen Türken, bewaffnet mit Messern, abgebrochenen Antennen, Fahrradketten – offenbar Wachtposten, um neue Brandanschläge zu verhindern.
    Kaum eine Wand in Berlin ohne Graffiti – neben dem obligaten Türken raus türkische Sprüche, deren Inhalt sich erraten ließ, da Theo wußte, daß Basburg Führer hieß. Aber auch offenbar Konträres, das sie nicht verstanden: EVLAT ACISINA SON.
    Dort, wo Theo geparkt hatte, befand sich ein türkisches Restaurant, Galata. Früher mal Heidekate.
    «Was war das vor hundert Jahren mal für ‘ne herrliche Wohngegend»,
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