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Feuer fuer den Grossen Drachen

Titel: Feuer fuer den Grossen Drachen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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weil Theo partout nicht rasen wollte, zu spät, wieder einmal, natürlich, zweieinhalb Minuten zwar nur, aber Q-Müller stand schon wartend in der Tür, fickrig wie immer. «Wo bleibt ihr denn…!?» Mit dem Zeigefinger kurz auf die Uhr getippt. «… nur aufm Sprung hier… auch noch andere Termine!»
    Wie im ICC, wie im Internationalen Congress Centrum, sah’s nun im alten Gewölbe der Neuen Chance gewiß nicht aus. Keine versenkbaren Sessel und so, nur Sperrmüll aus allen Berliner Bezirken. An den weißgekalkten Wänden Filmplakate, Informationen der Aktion gesetzmäßiger Strafvollzug, ein paar Adressen und die üblichen Horrorgraphiken, die vor Alkohol und Drogen warnen sollten.
    Fast zwei Dutzend ihrer ‹Klienten› waren gekommen; zumeist solche, die gerade mal oder wieder mal aus der Haft entlassen worden waren, aber auch ein paar Freigänger, die sich ihre Anwesenheit von Theo bestätigen ließen und dann bald wieder abdampften. Alles Deutsche.
    Welche Gesichter! Gezeichnet vom humansten Strafvollzug, den Leute wie sie jemals erfahren haben. Alles ließ sich da ablesen: Knastkoller, mit dem Kopf gegen die Wand, mit Valium 10 vollgepumpt; Selbstmordversuche – Pulsadern aufgeschnitten, Rasierklingen, Nägel, Glasscherben geschluckt; bis zum Gehtnichtmehr onaniert; die Nächte im ‹Bunker›; jemand verraten ‘ne Annonce aufgeben, nächsten Tag ‘n Messer an der Kehle; für ‘ne Bombe Kaffee als Hinterlader gearbeitet… Mann!
    Tätowierte Arme, Catcherfiguren; aber auch kleine, zähe Typen, Marathonläufer.
    Ihnen gegenüber am Vorstandstisch die Projektmitarbeiter der Neuen Chance, ein paar sonstige Vollzugshelfer, ehrenamtliche, dann Theo, Kochale und Hanna, letztere von Q-Müller alsbald vorgestellt und mit Hallo begrüßt.
    Q-Müller rückte seine Nickelbrille zurecht und legte los.
    «Wir haben auf unsere Rechnung zwei Wohnungen angemietet, die wir nächsten Ersten beziehen können…» Jubel. «Wer mit wem wohnt, das könnt ihr ja nachher mit Theo ausmachen. Eigenleistung 150 Mark, die übernimmt aber dann das für euch zuständige Sozialamt. Für die Einrichtung der Wohnungen mit Möbeln – Zuschuß beim Senator für Soziales beantragen. Hörst du, Theo!?» Scharfer Blick in Richtung der Untergebenen.
    «Ja…»
    «Punkt zwei: Arbeitsplätze…» Da hatte er auch zwei neue aufgetrieben. («Jesus als Manager», murmelte Theo vor sich hin.)
    Kochale verfluchte den verlorenen Abend, war aber andererseits auch wieder froh, mitgekommen zu sein, zu Hannas Schutz, denn daß die Typen da Hanna der Reihe nach vergewaltigten, in Gedanken jedenfalls, das war denen doch von ihren Visagen abzulesen.
    Hanna wünschte sich in ihre Wohnung zurück, aufs Sofa. Ein Glas Beaujolais, Jauche und Levkojen zu Ende lesen. Aus ihrer Familie hatten einige auch solche Güter gehabt. Was wäre, wenn… Wenn Q-Müller sie damals auf Theos Party nicht angesprochen hätte. Was, Juristin sind Sie, und im Augenblick keinen Job? Mensch, ich such doch schon die ganze Zeit über jemand für unser neues Projekt: türkische Familien, wo ein Familienmitglied im Knast ist oder war, im deutschen Knast – Tegel, Plötzensee, Moabit… Da geht’s doch hauptsächlich um Rechtsfragen, verstehst du, Ausländerrecht – Ausweisung, Abschiebung und so. Nächste Woche fängste bei uns an – abgemacht!
    Auf diese Art und Weise hatte er schon Theo als Gruppenbetreuer gewonnen.
    Und Hanna hatte tatsächlich, gegen Kochales Einwände, bei IRMA angefangen, Q-Müllers letzte organisatorischer Neuschöpfung, seinem Institut für Randgruppen-, Minderheiten- und Ausländerforschung. Kommentar Theo: Wenn Q-Müller einen anmachen will, dann hat der keine Chance mehr, bei dem wäre sogar Hamlet so was wie Ludwig XIV. geworden.
    Mitten in Hannas Reflexionen und Q-Müllers Belehrungen hinein, wie die Ex-Knackis sich im Arbeitsamt zu verhalten hätten, wurde draußen gegen die Tür gehämmert und irgendwas Türkisches geschrien, wütend und aggressiv.
    «Das sind wieder die Ausländer», sagte Theo zu Q-Müller, «die wollen auch mit rein in die Neue Chance, aber hier sind sie alle dagegen, und wenn ich sie trotzdem reinnehme, dann machen sie mir meine ganze Gruppe kaputt.»
    Q-Müller notierte: Ausländergruppe gründen. Ausländerberater Tegel ansprechen. Eilt!
    Dann wandte er sich Hanna zu und gab, wie später im Protokoll nachzulesen war, seiner Hoffnung Ausdruck, daß sie mit ihren immensen Rechtskenntnissen Erste Hilfe geben könne. Schlußwort,
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