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Feuer fuer den Grossen Drachen

Titel: Feuer fuer den Grossen Drachen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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zu: Der alte Kochale hatte die Bilanzen ein wenig geschönt, aus Minus Plus gemacht und auch sonst einiges getan, vor allem im Hinblick auf gewisse Steuern, was seine Flucht ins Ausland nötig machte… Zeit dazu gelassen hatte man ihm natürlich.
    Der Siemens-Mann murmelte noch sein Beileid nach vorn, dann verstummte er, und auch Kochale sagte nichts mehr, bis sie – Wittenbergplatz, Bayreuther Straße – das anvisierte Hotel erreicht hatten und er den Fahrpreis nennen mußte.
     
     
    Der Jungmanager war ausgeladen; was nun? Mal schnell zum nächsten Halteplatz, mit anderen Kutschern quatschen? Geringe Bafögbezüge, Arbeitslosigkeit – wenn er Glück hatte, traf er hier mehr Studenten als draußen in der Uni. Aber noch mal zwei Stunden aufm Bock? Kochale verspürte wenig Lust dazu.
    Also fuhr er zur Firma, reichte die Schlüssel über den Tresen und machte sich an die Abrechnung. Mallwitz & Pasch nannte sich sein Laden, Abkürzung M. & P. im Taxifahrerjargon ‹Menschenhandel und Profit›. Kein Unfall war auf dem Bogen zu notieren, glücklicherweise, aber die ‹Hungerleuchte› oben aufm Dach brannte nicht mehr.
    Mallwitz brachte gerade seine Mitarbeiter auf Trab – «Zackzack! Arbeit schändet nicht!» –, fand aber noch Zeit, Kochale einen Zettel mit der Adresse des neuesten Berliner Edelpuffs in die Hand zu drücken. «Gibt auch Prozente!»
    Kochale registrierte, daß er sich offenbar einen gewissen Ruf als Abspritz-Schlepper erworben hatte. Was hatte er wohl an sich, daß sich jeder traute, ihn nach geeigneten Örtlichkeiten zu fragen? Bloß gut, daß Hanna nichts davon wußte.
    Raus hier, weiter! Was anderes machen… Action is satisfaction!
    Hinunter auf die Straße. Startvorbereitungen.
    Ritt auf der Yamaha. Tank tief heruntergezogen zum rabenschwarzen Triebwerk, flache Bank, Rasten weit hinten, die RD 250. Der Motor jubelt im Zweitaktfeuer. Im Slalom durch die Wagenschlangen, immer schneller. Abheben, hinauf zu einem anderen Planeten. Ein mohnroter Ritter, jagend auf der Asphaltprärie. Highway-Jacke (Rindnappa-Leder), Rennstiefel, Pilot-Helm. Sicherheitsdesign aus Fiberglas mit Doppelreflexwirkung für Tag und Nacht, aerodynamische Hochgeschwindigkeitsform.
    Keine Lanze kann mich niedermähen! Märkischer Raubritter. Nickel Minkwitz, Caspar Gans von Puttlitz, Dietrich von Quitzow. Steige hoch, du roter Adler…
    Quatsch!
    Ich pack’s wieder. Ich komm wieder nach oben. Ich hol mir alles zurück … Ihr werdet euch noch wundern!
    Kochale – nicht kleinzukriegen. Phoenix aus der Asche. In zehn Jahren hab ich alles wieder! Kochale hat die Kraft! Kochale hat den Mut! Kochale…
    Rote Ampel an der Philharmonie. Stopp.
    Kochale kam über die Kochstraße nach Kreuzberg hinein. Springer-Hochhaus. Kleiner Knick nach rechts, mit dem Lenker fast einen Bus gestreift, Doppeldecker, Linie 41. Bundesdruckerei, Oranienstraße. Linker Hand, am Moritzplatz, der Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße. Immer noch viel Nachkriegsöde, Beginn SO 36. An einer Litfaßsäule die hingesprühte Information: Sie betreten den türkisch besetzten Sektor Berlins.
    Kochale hielt am Oranienplatz, suchte nach einem halbwegs diebstahlsicheren Parkplatz und fand ihn vor den Portalen der AOK. Ringsum viel Grün; der Luisenstädtische Kanal war zugeschüttet und zu einem handtuchschmalen Park gestaltet worden, nach dem Ersten Weltkrieg schon. Aus dieser Zeit waren auch einige kaufhausähnliche Bauten verblieben. Er hatte keine Ahnung, was da mal dringewesen war. Nach Norden zu, zum Greifen nahe, die Mauer, parolenbeschmiert.
    Ein Reisebus hielt, Kennzeichen OH; Ostholstein. Der fachgeschulte Fremdenführer sammelte seine Schäflein, beruhigte sie. «Tagsüber ist hier noch nie was passiert.» Trotzdem, diverse Handtäschchen wurden fester gepackt.
    Kochale, auf der Suche nach seinem letzten Zigarillo, hörte kostenlos zu.
    Der Mann, offensichtlich arbeitsloser Akademiker, Lehrer vielleicht, unheimlich gutes Artikulationsvermögen, gab sein Bestes.
    «Vor uns haben wir SO 36, das hat sich vom früheren Postamt Süd-Ost 36 her erhalten, heute das Türken-Getto. In manchen Häuserblocks mehr als siebzig Prozent Türken. Von den Deutschen zieht weg, wer eben kann. Was noch hierbleibt, sind Rentner, Studenten, Sozialhilfeempfänger und ein bißchen Boheme-Maler, Schriftsteller, Dichter, Theaterleute. Hier in der Oranienstraße hat V. O. Stomps gewohnt, der Begründer der Eremitenpresse, ebenso Erwin Piscator, der große Berliner
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