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Decker & Lazarus 10 - Der Schlange List

Decker & Lazarus 10 - Der Schlange List

Titel: Decker & Lazarus 10 - Der Schlange List
Autoren: Faye Kellerman
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    Niemand beachtete ihn.
    Nicht Wendy Culligan, die viel zu sehr damit beschäftigt war, einem Halbdutzend Japaner Millionenimmobilien anzupreisen, obwohl die sich eher für ihr Hinterteil als für Eigentumswohnungen zu interessieren schienen. Trotzdem war Wendy mit Eifer bei der Sache, schwärmte von Toplage, Finanzierung und hohem Wiederverkaufswert.
    Sie beugte sich vor, zeigte ein bißchen Busen, angelte eine Riesengarnele von der Vorspeisenplatte, auf der außerdem noch Austern, Miesmuscheln, Räucherlachs und rohe Seegurken lagen. Letztere standen bei den Asiaten hoch im Kurs – wegen angeblicher Potenzsteigerung.
    Männer, gleich welcher Religion und Hautfarbe, dachten nur an Sex. Und sie, die versuchte, ihr Geld ehrlich zu verdienen, mußte mit ansehen, wie diese Typen sich glitschiges Zeug in den Mund schoben, ihre kleinen Leckerbissen mit Sake hinterspülten und sich lüstern die Lippen leckten. Was bleibt einem armen Mädchen anderes übrig?
    Wendy wußte zu schätzen, daß Brenda, ihre Chefin, das Geschäftsessen im Estelle arrangiert hatte. Das Restaurant war absolute Spitzenklasse – es funkelte nur so von Silber, Kristall und Kerzenlicht. An den Wänden antike Mahagonibuffets, dazu edle orientalische Paravents, mit himmelblauer Seide bespannt. Exotische Blumengestecke auf den Tischen – riesige Lilien, eingeflogene Orchideen, zweifarbige Rosen. In der Luft ein Hauch Parfüm, nicht zu viel, nicht zu wenig. Die Stühle waren nicht nur seidengepolstert, sondern zudem noch bequem. Selbst die Bar hatte Klasse: samtbezogene Hocker, Rauchglasspiegel, üppige Nußbaumtäfelung, alles geschmackvoll illuminiert mit Tivoli-Lampen.
    Völlig in ihre Aufgabe vertieft – schließlich ging es um eine fette und dringend benötigte Provision –, übersah Wendy den jungen Mann mit dem grünen Sportsakko, der den Raum betrat und sich mit kühlem Blick umsah.
    Auch Linda und Ray Garrison bemerkten nichts.
    Endlich genoß Ray ein wenig Zweisamkeit mit der Frau, mit der er seit fünfunddreißig Jahren verheiratet war. Beide dachten an die Party, die ihre Tochter Jeanine ihnen zu Ehren veranstaltet hatte, wenn auch mit seinem Geld. Wenigstens war alles gut über die Bühne gegangen. Wenn es etwas zu organisieren gab, war Jeanine Spitze. Die Gäste hatten die Party gelobt und Linda und Ray zu diesen tollen Kindern gratuliert … Niemand hatte gewagt zu erwähnen, daß Jeanines Bruder David gerade aus dem Gefängnis entlassen war. »
    Eine formvollendete Veranstaltung. Ray wußte, daß es eigentlich Jeanines Party war. Sie hatte viele »Clubfreunde« eingeladen – Leute, die Ray kaum kannte.
    Trotzdem, es hatte Spaß gemacht. Und David hatte sich zusammengerissen. Endlich schien der Junge die Kurve zu kriegen, sich auf seine guten Anlagen zu besinnen. Ray war schon vor Jahren drauf und dran gewesen, ihn zu enterben, aber Linda mit ihrem guten Herz hatte dafür gesorgt, daß die Verbindung nicht völlig abriß.
    Linda, die Sanfte, die Schöne, die Großmütige und Verläßliche, sein Rückhalt seit dreieinhalb Jahrzehnten. Gelegentlich wurde ihm bewußt, daß sie alterte. Er sah die Fältchen um ihre Augen und Mundwinkel, sah, daß Kinn und Wangen an Straffheit verloren. Aber diese kleinen Unvollkommenheiten machten sie nur um so begehrenswerter.
    Er liebte sie von ganzem Herzen, und er wußte, daß sie seine Gefühle erwiderte. Gelegentlich schien ihre enge Verbundenheit alle anderen auszuschließen, selbst die eigenen Kinder. Vielleicht war David deshalb schon als kleiner Junge so schwierig gewesen. Doch ihre Liebe füreinander hatte bestimmt nichts mit den Problemen ihres Sohnes zu tun. Willensschwach, begabt und charmant, war David schon früh in eine Bohème-Existenz abgedriftet.
    Aber warum jetzt daran denken? Ray riß sich zusammen. Warum jetzt an Jeanine denken, an ihre Verschwendungssucht, ihre hysterischen Überspanntheiten, ihre Wutausbrüche, wenn sie nicht bekam, was sie wollte? Warum über Davids ständigen Kampf mit dem Kokain nachgrübeln? Genieß den Moment … das Beisammensein mit der geliebten Frau.
    Ray richtete alle Aufmerksamkeit auf Linda. Sein Blick streifte flüchtig den ernsten jungen Mann in der grünen Jacke mit dem Drink in der Hand, aber er nahm ihn nicht wirklich wahr.
    Selbst wenn Walter Skinner dieser merkwürdige Typ an der Theke aufgefallen wäre, er hätte keinen Gedanken an ihn verschwendet. In seinem Alter mußte er sich nicht mehr mit dem jungen Gemüse abgeben, ihm konnten alle
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